Abschrift
hochgeehrter herr kraus!
herr rechtsanwalt samek telegrafiert mir, dass Sie
gegen eingriffe in offenbachs
werk und in Ihr
textliches Urheberrecht
protestieren.
mir ist der sinn des telegramms vollkommen unver
ständlich, auch wer Sie in
dieser form orientiert
hat –
ich habe mich mit meinen leuten voll begeiste
rung an das werk gemacht und in größter ehrfurcht
vor Ihrer wundervollen
arbeit.
leider fiel in unsere
probenarbeit eine bedenkliche
krankheits-epidemie im personal, durch die ich im
letzten augenblick durch
einspringende gäste nicht
ganz erreicht habe, was mir vorschwebte. ich kann
auch nicht beurteilen, ob es
mir einigermassen ge
lungen ist, das zu bringen,
was ich für das werk
und Ihre bearbeitung
empfinde und was Sie mir in
so wundervoller weise in berlin neuerlich
suggeriert
haben. ich
weiss nur, dass ich textlich selbstver
ständlich nichts geändert
habe, sondern mich nur
im
laufe der letzten arbeiten zu einigen kürzungen
entschloss, weil sich die
aufführung sonst sehr in
die
länge gezogen hätte. das werk ist
sowieso erheb
lich
lang und wir sind hier durch schweren abbau im
personal gezwungen, die
umbauten allzu sehr auszu
dehnen, sodass die
aufführung am tage der premie
re weit über 3 stunden
dauerte, trotzdem ich einige,
musikalische kürzungen angebracht hatte und zwar
fast durchweg nur durch
weglassen der reprisen.
die einzige, erhebliche
änderung, zu der ich mich
schweren herzens entschlossen habe, war der schluss.
man hat hier im ruhrgebiet
seit monaten in alberner
weise über die sogenannte offenbach-renaissance
ge
spöttelt
und ich musste gefahr laufen, dass die von
Ihnen eingefügte
verherrlichung offenbachs im
schluss-finale die wirkung
der aufführung wesentlich
geschwächt hätte.
jedenfalls glaube ich, mich
völlig von jeder ver
ballhornung freigehalten zu
haben.
ich bedaure ausserordentlich,
dass Sie das werk
hier nicht hören können, die
aufführung hat einen
nachhaltigen
erfolg, wenn auch nicht im sinne des
üblichen operetten-klamauks, und
wir sind glück
lich,
ein so bezauberndes stück in seiner
urgestalt
auf unserem
spielplan zu haben.
ich bin mit dem ausdruck
meiner vorzüglichsten
hochachtung
ergebenst
Schulz-Dornburg