Madame l’archiduc


Sehr geehrter Herr Kollege!


In Sachen des Herrn Karl Kraus gegen Schulz-Dornburg
darf ich zu Ihrem Brief vom 2.6. wie folgt Stellung nehmen:
Der Inhalt des Uebereinkommens vom 21.8.31 ist mir noch unbekannt.
Ob nach seinem Inhalt ein Rechtsanspruch auf weitere Aufführungen
besteht, entzieht daher sich noch meiner Kenntnis. Ist solcher Rechts
anspruch gegeben, dann wäre er ja wohl auch durch Civilprozess durch
zusetzen und zu verwirklichen. Wir haben jüngst gerade in Dortmund
einen solchen Prozess des kommunistischen Schriftstellers Meinberg
gegen die Dortmunder städtische Bühnen erlebt.


Frage bleibt nur, ob nicht in der Rückgabe des Werkes in
Verbindung mit einer – anscheinend ohne Protest gebliebenen – Rück
nahme durch die Herrn Kraus vertretende Verlagsgesellschaft ein soge
nanntes stillschweigendes Einverständnis auf weitere Aufführungs-
Ansprüche liegt; ferner ob die Stadt Essen sich nicht mit Erfolg
darauf wird berufen können, dass der Vertrag vom 21.8.31 als solcher
rechtsunwirksam ist, weil, wie Sie mir jetzt sagen, er nur die Unter
schrift des städtischen Beigeordneten trägt:


Erklärungen von Kommunalbehörden müssen bei uns, soweit sie rechtlich
verpflichtender Natur sind, die Unterschriften des Oberbürgermeisters
(oder seines Stellvertreters) und eines zweiten Mitglieds des
Magistrats tragen. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts legt dazu
einen sehr engen Maßstab an und erklärt verpflichtende Abmachungen,
die nur eine Unterschrift tragen, als imperfekt und unverbindlich.


Es könnte für Herrn Kraus keineswegs erwünscht sein, aus
solchen formellen Erwägungen abgewiesen zu werden. Das ist für
mich der Grund, von Erhebung der Klage zunächst abzuraten: Ich will
zumindest erst noch den Vertrag prüfen.


Für einstweilige Verfügung aber bleibt, nach deutschem Civil
prozessrecht, kein Raum, wenn, wie ich von Ihnen jetzt hörte, die
Essener Bühne zurzeit zu einer Aufführung in entstellter Fassung
garnicht in der Lage wäre.


Elias
Rechtsanwalt.


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