Sehr geehrter Herr Kollege


In Sachen des Herrn Karl Kraus gegen Schulz-Dornburg komme ich
wegen einer Reihe auswärtiger Termine erst jetzt zur Erledigung Ihrer
Zuschrift vom 21.7.


Die Staatsanwaltschaft hat auf den Weg der sogenannten Privatklage
verwiesen, weil das Gesetz ihr das in einem Falle wie diesem ausdrück
lich gestattet. Entscheidend dafür, ob die sogenannte Offizialklage
nicht erhoben wird, soll das sogenannte öffentliche Interesse sein.
Ueberall dort, wo es verneint wird, bleibt also nur der Weg der Pri
vatklage.


Dass in solchem Fall der Richter praeoccupirt wäre, kann dar
nach, allgemein gesehen, eigentlich niemals zutreffen. Eine ganz an
dere Frage bleibt es natürlich, ob solcher Richter nicht aus ganz
anderer Erwägung heraus trotzdem zum Freispruch gelangen möchte.


In dieser Hinsicht muss ich gewisse Möglichkeiten zugeben: Der
Richter brauchte ja nur zu unterstellen, dass Schulz-Dornburg
geglaubt habe, den Intentionen des Herrn Verfassers gerecht zu werden,
gleichsam seine Interessen, kraft negotiorum gestio, richtig zu
wahren, um so unter
Behauptung Bejahung der objektiven Strafwürdigkeit, aus sogenanntem sub
jektiven Grund, also in Verneinung eines Schuld-Moments, dennoch zum
Freispruch zu kommen.


Mit solcher Möglichkeit wäre gerade heute bei uns ganz beson
ders scharf zu rechnen, wenn es der Gegenseite gelänge, die Persön
lichkeit unseres Herrn Karl Kraus politisch einer Capitis diminutio
zu unterziehen: Essen ist der Ort, an dem der Ersatz für den Preus
sischen Ministerpräsidenten Otto Braun als Oberbürgermeister amtier
te, und von Essen wurde Herr Curt Melcher als Polizeipräsident-Er
satz jetzt nach Berlin geholt!


Auf der anderen Seite wird man allerdings gerade in Essen kaum
besonderes Interesse an Schulz-Dornburg noch nehmen, nachdem der
Herr, nach Pressemeldungen aus „weiblichen Gründen“ demissionierte.


Unabhängig von der – darnach zweifelhaften – Frage des Ausgangs
der Straf- oder Privatklagesache bliebe aber der Civilprozess gegen
Essen: Das Fahrlässigkeits-Moment wäre dort meines Erachtens gar
nicht auszuschalten.


So glaube ich, eine Verfolgung im Wege der Privatklage nur bedingt
die Klage im Civilprozess gegen Essen aber mehr anempfehlen zu sollen.
Auch das allerdings nur clausula rebus politicis sic stantibus:
So wie die Verhältnisse bei uns liegen, ist eigentlich jeden Tag
mit Putsch samt nachfolgender Diktatur zu rechnen. Die aber würde,
getreu ihrem Schlagwort, Herrn Kraus klaglos stellen, nachdem sie
ihn des deutschen Bürgerrechts nicht erst berauben kann.


Sollte die nahe Zukunft ergeben, dass ich zu schwarz sah, hätte
Deutschland ein unwahrscheinliches Glück gehabt.


Inzwischen bitte ich sehr darum, mich Herrn Karl Kraus – der die
Zusammenhänge zweifellos besser übersieht als ein kleiner Provinz-
Advokat meiner Art – bestens zu empfehlen.


Mit collegialer Hochachtung!
Elias
Rechtsanwalt.


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