Sehr geehrter Herr Kollege!
Auf Ihre Anfrage vom 16. Juli 1932 erlaube ich mir folgen
des zu erwidern:
Ich bin damit einverstanden,
dass mein Brief in der Fackel,
nach dem Wunsch
von Herrn Kraus, ganz oder zum Teil abgedruckt
wird. Allerdings ist mir bekannt,
dass die hiesige Anwaltskammer die
Veröffentlichung von Prozessberichten durch an dem
Verfahren beteiligte Anwälte
missbilligt. Wird dieses Schreiben
unter meinem Namen abgedruckt, so
ist eine Beschwerde des
Herrn Beradt bei der Anwaltskammer vorauszusehen und ein an
meine Adresse gerichteter Verweis
zu erwarten, insbesondere
darum,
weil nach Auffassung der Anwaltskammer mein Schreiben
als Glossierung eines Kollegen
vor der Oeffentlichkeit an
gesehen werden dürfte. Man könnte
derartigen Weiterungen aus dem
Wege gehen, wenn beim Abdruck des Briefes nicht
ausdrücklich
betont würde,
dass ich sein Verfasser sei. Glaubt indessen
Herr Kraus, die Wirkung des Abdruckes ohne die Nennung meines
Namens abzuschwächen, so bin ich
auch mit dem Abdruck unter
meinem
Namen einverstanden. Jedenfalls möchte ich aber für den
Abdruck einige Stellen wie folgt
ändern:
Auf Seite 2, Absatz 2, Zeile
16, müsste es heissen:
„auch Personen, die mit Recht Herrn Kraus
hochschätzen.“
Dafür, dass das Wort „Verehrung“ gebraucht
ist, kann ich nicht
einstehen; auch andere Personen, die der Verhandlung beigewohnt
haben, können sich an diesen
Ausdruck nicht erinnern, sondern
nur daran, dass Herr Beradt die Hochschätzung von Herrn Kraus
durch Redaktionsmitglieder
hervorgehoben hat. Im nächsten Ab
satz möchte ich die in
Parenthese gehaltene Stelle so fassen:
„offenbar aus taktischen Gründen.“
Der Sinn dieser Bemerkung war,
dass meiner Auffassung nach
Herr Beradt meine Ergebenheit gegenüber Herrn Kraus hervorheben
und unterstreichen wollte, um die
Stichhaltigkeit der von mir
vorgebrachten Argumente stärker zu erschüttern. Er wollte mich,
um es kurz zu sagen, in dieser
Sache als ungewöhnlich befangen
hinstellen. Im dritten Absatz auf Seite 2 möchte ich hinter
„zur
Schau“ fortfahren: „was er unter anderem damit begründete, der Fackel
keinen Anlass zu einer
sprachkritischen Glosse geben zu wollen.“
Mit dem Worte „angeblich“ hatte ich zweierlei zum Ausdruck brin
gen wollen. Einmal, dass er
tatsächlich die eben erwähnte Be
sorgnis geäussert hatte, und
zweitens, dass mir diese Moti
vierung nicht ganz ernst gemeint
erschien. Er gab u.a. auch an,
dass er kein schlechtes Deutsch von sich aus in den Druck zu
geben gewohnt sei. In der
Hauptsache aber hatte ich das Gefühl,
dass er unter dem Mantel der
Ausdruckskorrektheit gerne eine
Verschlechterung des Inhalts durchgeschmuggelt hätte.
Die Verhandlung hat am 4. Juli
1932 stattgefunden. Die
Berichtigung
ist im Morgenblatt vom 6. Juli 1932
erschienen.
In der Abendausgabe vom gleichen Datum ist Kerr’s Feuilleton
„Clarence und die Nutzniesser“ erschienen.
Auf die Frage, ob die von Ihnen
angegebene Stelle in III
dieses
Feuilletons eine strafbare Beleidigung des Herrn Kraus
enthält, möchte ich mit ja
antworten. Dagegen beurteile ich
die Aussichten eines Beleidigungsprozesses gegen Kerr wegen
dieser
Äusserung für ausserordentlich gering, wenn nicht für
hoffnungslos. Ich bin nicht
einmal sicher, ob Kerr zu einer
Äusserung auf eine zu erhebende
Privatklage vom Gericht auf
gefordert werden würde, sondern
halte es für denkbar, dass
das
Verfahren von Amtswegen eingestellt wird. Die Notver
ordnung vom Oktober 1931 bietet
Handhaben genug, um das Ver
fahren einzustellen. Es ist
meiner Meinung nach als wahrschein
lich anzusehen, dass das Gericht bei der Unbestimmtheit des
Ausdrucks und der mangelnden
Kenntlichmachung des Adressanten für
Unbeteiligte
der
Beleidigung die Schwere der Ehrenkränkung verneint und die
Folgen als geringfügig
bezeichnet. In diesem Fall kann auf
Grund der Notverordnung das
Verfahren eingestellt werden. Vor
allem aber stützt sich mein Bedenken auf die Geistesver
fassung der Richter, mit denen
man es bei Erhebung der Klage
zu
tun hätte, eine Geistesverfassung, die durch die gegen
wärtige politische Situation noch
bösartiger geworden ist, und
in
deren Horizont der Rechtstreit nur als die Austragung
eines Literatengezänkes, für das
die Zeit zu ernst sei er
scheinen dürfte. Selbst der Charlottenburger-Richter, der sich
in dem Verfahren gegen Sinsheimer mir gegenüber so ausser
ordentlich günstig verhielt,
dürfte ein tieferes Verständnis
für die Materie nicht aufbringen können. Auch er hatte übri
gens vorher aus Gründen der
Notverordnung das Verfahren ein
gestellt und war erst durch den
Beschluss des Landgerichts
zur Tätigkeit erweckt worden.
Sollte Kerr zur Rede gestellt
werden, so wird er meiner
Meinung nach sogar nicht einmal die
beleidigende Tendenz der
inkriminierten Stelle ableugnen, bezw.
um eine Ableugnung herumzugehen
versuchen. Vielleicht versucht
er
es auch mit seinem früheren Trick, dass er kurz vorher erst
das letzte Heft der Fackel vom
April 1932 gelesen hätte, in dem
sich jedenfalls eine Reihe gegen
Journalisten und Kritiker
gerichtete Stellen befinden,und gibt vor, sich dadurch belei
digt gefühlt zu haben. Unter
Umständen, denn bei unserer
Rechtsprechung ist alles möglich, kommt er auch damit durch und
erlangt so Straffreiheit, weil er
eine Beleidigung auf der
Stelle
mit einer anderen erwidert habe.
Ich möchte nochmals nicht im
Zweifel lassen, dass ich an
und
für sich die Kerr’sche Äusserung für eine
theoretisch durch
aus
fassbare Beleidigung halte. Mein Bedenken richtet sich
lediglich gegen die praktische
Durchsetzbarkeit des Straf
anspruches. Selbstverständlich
bin ich bereit, falls Herr Kraus
dies wünscht, die
Beleidigungsklage einzureichen und bitte für
diesen Fall um Angabe der
Personen, die jene Äusserung als
gegen Herrn Kraus gerichtet empfunden haben, und
die es auch
bekunden werden.
In der Anlage übersende ich
Ihnen die gewünschte Nummer
des Berliner
Tageblatts.
Ich bitte, Herrn Kraus den Ausdruck meiner herzlichen
Verehrung zu übermitteln und
bin mit herzlichen Grüssen
Ihr sehr ergebener
Katz