Sehr geehrter Herr Doctor!
Wir danken Ihnen vielmals für
Ihren freundlichen
Brief vom 25. April. Bitte entschuldigen Sie mein Schwei
gen und Nichterklären,
warum ich nur 50 $ statt 100 $
geschickt habe. Ich schrieb nicht, weil ich von Woche zu
Woche hoffte, die zweiten 50 $
absenden zu können.
Es war nicht möglich, bitte glauben Sie das. Auch
heute kann ich keinen Termin
angeben, wo ich sie absenden
kann, weil ich überhaupt nicht mehr aus noch ein weiss.
Wir tun unser Möglichstes, – wir danken Ihnen sehr
für Ihre Geduld und Ihr großes
Entgegenkommen
welches wir nie
vergessen werden und wir werden
schicken, ich hoffe auch sicher,
dass wir Ihnen monat
lich 100 $ schicken können, aber ich kann es nicht ver
sprechen , –
jedenfalls werden Sie aber bis Oktober min
destens den größten Teil, wie ich hoffe, das Ganze zurück
erhalten. Von den 500 $ pro Woche
die mein Mann
jetzt hat,
bekommt er wöchentlich
nur 160 $ ausbezahlt, alles
andere sind Abzüge, Vorschüsse
(wieder!) Prozente für 2
Agenten,
Steuern, und außerdem sind es nicht 500 $
sondern nur 380 $, weil nur 20
Wochen in jedem
Halbjahr bezahlt
werden und wir uns also, damit
wir nicht 6 Wochen ohne Geld sind, die Gage auf
26
Wochen aufteilen lassen, so daß uns also im Monat
640 $
bleiben, das reicht für hier kaum zum Leben (davon
schicken wir auch noch an unsere
beiden Familien Geld weil
das
dringend notwendig geworden ist) wenn man aber davon,
wie ich es
getan habe auch noch Schulden abzahlt, dann
geht es eben auf einmal nicht
mehr weiter und so ist
es jetzt
bei uns. Sie können sich nicht vorstellen, was wir
uns für Einschränkungen hier
auferlegen um unseren viel
fachen Verpflichtungen die wir
eben durch die Folgen des Hitlerre
gimes und durch die ja nach Ihrer
Hilfe noch weit über
ein Jahr
fortwährende Arbeitslosigkeit eingehen mußten
und die in die Tausende gehen,
nachzukommen. Herr Nürnberg,
der jetzt einige Wochen hier war,
hat sich durch Einsichtnahme
in
die Akten und die Einkommensverhältnisse, ebenso wie in un
sere Verpflichtungen davon
überzeugt, daß wir wirklich kaum
etwas anderes tun, als unsere Schulden abzudecken. Es ist un
geheuer deprimierend, daß wir
selbst für uns, nichts, nicht
einen Dollar zurücklegen können
für Zeiten der Not oder der
Krankheit. Ich schreibe Ihnen das nur, sehr geehrter Herr Doktor,
weil ich
weiß, daß Sie für menschliche Dinge Verständnis haben. Sie
können uns glauben, daß wir nur
darauf bedacht sind, Ihnen
und
Herrn Kraus, der uns damals in seiner
außerordentlichen
Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft an Sie verwies, Schwierig
keiten zu ersparen und Sie können
sicher sein, daß Sie zu Ihrem
Geld kommen, ohne Herrn Kraus heranziehen zu
müssen.
Mein Mann hat am 6. Mai
seinen ersten amerikanischen Film angefan
gen, es ist eine sehr große Arbeit, von der Alles
abhängt. Man ist
in der Metro Goldwyn Mayer, wo er den Film macht, sehr be
geistert über ihn,
hoffen wir, daß es ein großer Erfolg wird, dann
sind wir mit einem Schlag aus
allen Sorgen heraus. Aller
Voraussicht nach sehen wir Sie Juli oder August in Wien. Mein Mann
soll wieder einen Film in London machen. Er läßt sich Ihnen vielmals
empfehlen. Ich zeichne mit
vorzüglicher Hochachtung und besten Grüßen
als Ihre Cecilie Lorre