Der „Fackel-Kraus“ hat ausgefackeltWiener Mittagsblatt, 2.5.1933


15. Mai 1933.
Dr.Sa/Ma.


An das
Strafbezirksgericht IWien.


Privatkläger: Karl Kraus, Schriftsteller,
Wien III. Hintere Zollamtsstrasse 3
durch:


Beschuldigter: Alfred Kinast, Verantwortlicher Redakteur
der Zeitung „Wiener Mittagsblatt“,
Wien I. Renngasse 6


wegen Ehrenbeleidigung durch die Presse


1 fach
1 Vollmacht
1 Beilage


Antrag auf Einleitung von Vorerhebungen
und Vornahme einer Hausdurchsuchung.


Im „Wiener Mittagsblatt“ vom Dienstag den 2. Mai 1933,
1. Jahrgang, Folge 38, erschien auf Seite 2 der Bericht über einen
Prozess, den der Verlag „Die Fackel“ gegen die städtischen Bühnen inFrankfurt führt. Dass dieser Bericht den Prozessverlauf entstellt,
die Vorgeschichte des Prozesses unwahr berichtet, wird Gegenstand
eines anderen Verfahrens zu bilden haben. Im einleitenden Absatze
des Berichtes jedoch sind Beschuldigungen enthalten, die strafgericht
lich zu verfolgen sind. Es heisst dort: „In der letzten Zeit ist es
stiller um den Namen Karl Kraus geworden. Um Karl Kraus, dem
Wiener Schriftsteller, der es immer wieder verstand, sich durch üble
kommunistische Propaganda in die Oeffentlich
keit zu drängen. Seine Tätigkeit war eine Art jener Propaganda, die
vor keinem Mittel zurückschreckt.“


Die Art der Beleidigung veranlasst mich, es nicht wie sonst
üblich dabei bewenden zu lassen, den verantwortlichen Redakteur
allein der Strafe zuzuführen, sondern auch zu versuchen, den Schreiber
dieser Zeilen zu eruieren und hauptsächlich ihn bestrafen zu lassen.


Ich stelle daher unter Vorlage der Zeitungsnummer des „WienerMittagsblattes“ vom 2. Mai 1933 die folgenden Anträge:
1.) Zur Eruierung des Verfassers des Prozessberichtes auf Hausdurch
suchung im Redaktionslokal des „Wiener Mittagsblattes“ in Wien I.Renngasse 6 und in der Buch-, Kunst- und Zeitungsdruckerei „AlbrechtDürer“ in Wien, VII. Bandgasse 28, wobei das eventuell vorgefundene
Manuskript beschlagnahmt werden möge.


2.) Auf Einleitung von Vorerhebungen gegen den Beschuldigten AlfredKinast.


Ich ersuche meines ausgewiesenen Anwalt zur Hausdurchsuchung
zuzuziehen und behalte mir weitere Anträge vor.


Karl Kraus


1