Sehr geehrter Herr!


Wiewohl Ihre Intervention eigentlich bei dem Anwalt, dem die
Sache übertragen wurde, zu versuchen war, teilen wir Ihnen mit, daß Herr
Karl Kraus ihrer Schilderung der mäzenatischen Bemühungen der Zigaretten
papierfirma Altesse A.G., der Sie Beistand gewährt haben, mit Interesse
gefolgt ist. Das Bestreben, Portraits von mehreren hundert bedeutenden
Persönlichkeiten aus verschiedensten Ländern und Zeiten – von der Antike
bis in die Gegenwart – endlich mal in einem einheitlichen Bildstil darzu
stellen, hat gewiß auf die Anerkennung Anspruch, die Sie ausdrücklich
auch dem ungenannten Künstler zugewendet wissen wollen, der dem Auftrag
der Altesse nachgekommen ist und dessen Schöpfung Ihrem Urteil zufolge
unter keinen Umstanden künstlerischer Eigenwert abgesprochen werden kann.
Nichts läge uns auch ferner, als aus einigen schlecht nachgezeichneten
Photographieportraits, die uns zufällig vor Augen gelangt sind, jenen un
günstigen Schluß auf das Gesamtwerk zu ziehen, dessen Bedeutung doch vor
allem in der Idee liegt, ein Pantheon anzulegen, das sich etwa von Sokrates bis Salten erstreckt, welcher Autor noch angeregt werden könnte, dem
Gesichtspunkt, unter dem nie Sammlung vollzogen wird: „Olleschau – Das
Beste von Allen!“, in einer besonderen Denkschrift gerecht zu werden, im
Sinne der Anregung, die er einst von Maffersdorf (Teppiche) empfangen hat.
Herr Karl Kraus bedauert nach Ihrer lebendigen Darstellung außerordentlich,
daß er für seine Person den Verewigungsabsichten, die die Altesse mit ihm
hat, widerstreben muß. Daran vermag selbst Ihr Hinweis nichts zu ändern,
daß in dem ihm gewidmeten Lesezeichen die Anerkennung seiner Bedeutung
durch die Firma zum Ausdruck komme, und ebensowenig der Hinweis auf die
lautere Absicht, die sich in der durchaus freundlichen, wenngleich fehler
haften Biographie kundgibt. Bezüglich der Verbindung der Parole von Olleschau mit seiner Person überschätzen Sie seine Befürchtungen ein wenig.
Der unbefangene Raucher wird gewiß nicht vermuten, daß Herr Kraus, konform
den Persönlichkeiten von der Antike bis in die Gegenwart, jenen Ausspruch
getan habe; der befangene aber könnte vermuten, daß er gleich den Persön
lichkeiten der Gegenwart den Unfug, ein Künstlerbild mit einer Warenemp
fehlung zu verbinden, sei es um materiellen Vorteils willen, sei es wegen
der Chance der Popularität, gewähren lasse. Ihre Argumentation, die einige
Ähnlichkeit mit den Zurechtlegungen des deutschen Kommuniqués aufzuweisen
scheint, indem sie erfolgreich den Feind mit Gründen belegt, die eigent
lich zum Gegenteil führen, vermag Herrn Karl Kraus nur dadurch zu verblüf
fen, daß sie ihm dargeboten wird. Sie führen das Moment der „faksimilier
ten Unterschrift“ ein, die bei seinem Lesezeichen fehlt und tatsächlich
ablenken könnte, wenn nicht eben dadurch der „leere Raum“ zwischen Bild
und gedrucktem Namen vergrößert würde, so daß zwar das Bild von der Parole
entfernt ist, aber doch nicht der Name. Ebenso plausibel klingt und ebenso
unplausibel ist, was Sie über die Letter sagen, die nur als „gleiche oder
ähnliche“ den Charakter des Ausspruchs unterstützen würde; das Gegenteil
ist weit eher der Fall. Solche Gedankengänge, die Sie auf den Betrachter
übertragen, sollen zu dem Punkt führen, wo die Worte „Olleschau – Das
Beste von Allen!“ eine „deutlich als solche erkennbare Schutzmarke“ erge
ben. Aber der Betrachter hat keine „Schutzmarke“ zu erkennen, die über
haupt nur ein Begriff für den Konkurrenten ist, sondern eine Empfehlung,
die sich ihm mit Hilfe der abgebildeten Person einprägt. Der Aufdruck der
„Schutzmarke“ lasse „ernstlich kein Mißverständnis aufkommen“: das soll
wohl bedeuten, daß sie geradezu dagegen schütze. In Wahrheit aber genügt
das Mißverständnis, das sie mindestens herbeiführt: den Dargestellten zum
Träger der Reklame, zum Sandwichman zu machen, wenn man schon nicht anneh
men wollte, daß der Ausspruch über Olleschau ein Zitat aus seinen Werken
sei. Ans Phantastische grenzt jedoch Ihre Zumutung, zu glauben, „daß die
Lesezeichen nicht verwendet werden, um Käufer anzulocken (nur in diesem
Falle hätte es doch einen Sinn, Anpreisungen vorzutäuschen), sondern als
eine Art Prämie in verschlossene Schachteln gelegt werden, die erst nach
getätigtem und nicht mehr rückgängig zu machendem Kaufe geöffnet werden
können“. Es ist immerhin gut, daß wenigstens der Erzeuger noch in die ver
schlossene Schachtel die Prämie hineinlegen konnte. So mag es ja gelungen
sein, Herrn Karl Kraus in effigie hineinzulegen; anders gelänge es keines
wegs. Das ist gewiß auch nicht Ihre Absicht, denn ernstlich werden doch
weder Sie noch Ihr Auftraggeber glauben, ihn glauben machen zu können, die
Lesezeichen würden nicht verwendet, um Käufer anzulocken. Aber dann soll
ten Sie doch auch so etwas nicht in ein Schreiben an ihn als Argument
hineintun, da ja auf diesem Wege jede Aussicht verloren geht, damit vor
Gericht zu reüssieren. Sie haben im Gegner die Vorstellung geweckt, daß
die Altesse, die ohnedies mäzenatisch handelt, großmütig darauf verzich
te, daß der Käufer, der der Schachtel die Prämie entnommen hat, jemals
wieder kauft. Er erhält die Prämie zur Belohnung für den einmaligen
Kauf, der allerdings nicht mehr rückgängig zu machen ist, er soll nicht
zur Wiederholung angelockt werden und wenn er freiwillig und ohne jeden
Hintergedanken an die Prämie wieder kauft, so kann die Altesse nichts
dafür. Sollte er sich aber wider Erwarten angelockt fühlen, so könnte
er vollends Ihrem plausiblen Klammersatz zustimmen: „nur in diesem Falle
hätte es doch einen Sinn, Anpreisungen vorzutäuschen“. Ihrer Meinung,
daß die Lesezeichen nicht verwendet werden, um Käufer von Zigaretten
hülsen, vielmehr etwa um Bücherkäufer anzulocken, scheint zwar nicht nur
der gesunde Raucherverstand zu widersprechen, sondern auch die Ge
brauchsanweisung, die gleichfalls in die verschlossenen Schachteln ge
legt wird und die den Sammlerehrgeiz anspornt; und tatsächlich sollen
ja auch, wie Sie selbst zugeben, „die Empfänger der Lesezeichen nach
und nach verschiedene Exemplare in die Hand bekommen, so daß sich ihnen
das gleichartige Aussehen einprägt“. Doch vielleicht können Sie sich
wirklich auf die Erfahrung stützen, daß Zigarettenhülsenkäufer sich
durch das Konterfei von Persönlichkeiten der Gegenwart nicht angelockt,
sondern eher abgestoßen fühlten, in welchem Fall man aber wieder nicht
gut von einer Prämie sprechen könnte; beabsichtigt wäre ein solcher
Effekt keineswegs.


Ferne sei es von uns, Ihnen Aufschlüsse über das Wesen der
Reklame zu erteilen, über die Ihr Auftraggeber vielleicht besser Be
scheid weiß, während Sie wieder mehr über die technische Seite orien
tiert sind. Aber Ihre Erwartung, Herr Karl Kraus werde jetzt „ersehen“,
daß ein Mißbrauch nicht vorliegt, entspringt einem Optimismus, den Ihr
Auftraggeber mit Recht nicht teilt, indem er ja in dem Schreiben an uns
das Problem des Reproduktionsrechtes als gegeben erachtet und in dem
Schreiben an Sie die Frage stellt, ob und in welcher Weise Sie es sich
gesichert haben. Ihr Vorschlag zur Güte würde es wohl gegen künftigen
Mißbrauch schützen, jedoch keineswegs gegen den bereits begangenen.
Dessen übler Deutung und der damit verbundenen Belästigung durch Einsen
dungen und Anfragen läßt sich nur durch Erfüllung der gestellten Bedin
gungen abhelfen. Ihre Befürchtung, ein gerichtliches Verfahren würde
„durch den Widerhall in der Öffentlichkeit doch nur eine Reklame für die
Altesse A.G. bedeuten“, können wir nicht nachempfinden, so sehr Sie uns
auch glaubhaft gemacht haben, daß die Altesse jeden Mißbrauch der Publi
zität perhorresziert. Wir fürchten die Reklame für eine Zigarettenhülsen
fabrik keineswegs und fänden sie im Gegenteil durchaus entsprechend.
Nicht daß der Kaufmann Reklame für seine Ware macht, erscheint uns anstö
ßig, sondern einzig, daß er die Kunst in den Dienst seiner Bestrebungen
stellt.


Mit vorzüglicher Hochachtung


P.S. Wie wir soeben erfahren, sind die verschlossenen Schachteln, die
erst nach getätigtem und nicht mehr rückgängig zu machendem Kaufe ge
öffnet werden können, offen.


Rekomm.


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