Der Gegen-Angriff, 17.12.1933Der AufrufEine Lanze für Karl Kraus


Sehr geehrter Herr Doktor.


Wie Ihnen Herr Kraus sicherlich mitgeteilt
haben dürfte, hatte ich Gelegenheit mit ihm die anhängigen Ange
legenheiten zu besprechen. Sie werden demnach wissen, dass wir
in der Sache gegen den Gegenangriff übereingekommen sind, die
verstümmelte 5. Zeile des Gedichtes berichtigen zu lassen und
gegen den verantwortlichen Redakteur und Autor des Artikels
Nachruf auf Karl Kraus“ wegen der im ersten Absatze dieses
Artikels enthaltenen verleumderischen Beleidigungen nach dem
Gesetze über den Schutz der Ehre vorzugehen.


Der Brief, in dem um Berichtigung auf Grund
des § 11 der Pressegesetznovelle ersucht worden ist, wurde am 11.
l.M. rekommandiert aufgegeben, muss demnach am 12. l.M. dem verantwortlichen Redakteur zugestellt worden sein. In der am 16. l.M.
erschienenen, zum 17. l.M. datierten Nummer des „Gegenangriff“ ist
die Berichtigung nicht enthalten, dagegen in der Rubrik „Tribüne
der Leser“ ein mit Botho Laserstein gezeichneter Artikel
Lanze für Karl Kraus“ aufgenommen. An diesen Artikel schliesst
sich eine Anmerkung der Redaktion an, in der bemerkt wird, dass
das, was an dem beanständeten „Nachruf“-Artikel falsch war,
berichtigt werden musste.


Ich sende Ihnen die Nummer 22 des Gegenangriffes ein und bitte mir nach Rücksprache mit Herrn Kraus be-
kanntgeben zu wollen, ob ich das Verfahren gemäss § 14 derPressgesetznovelle wegen Unterlassung der Aufnahme der Berichti
gung einleiten darf.


Ich war jetzt einige Tage krank, wodurch
die Verfassung der Ehrenbeleidigungsklage verzögert wurde.
Ich hoffe aber, dass ich in den nächsten Tagen bereits das Kon
zept zwecks Weiterleitung an Herrn Kraus werde einsenden können.


Der „AUFRUF“ ist bisher nicht erschienen. Er
soll als Doppelnummer morgen oder übermorgen herauskommen und,
wie mir gesagt wurde, die verlangte Berichtigung mit dem Zusatze,
dass das Gedicht ohne Genehmigung des Autors abgedruckt worden
ist, enthalten. Die betreffende Nummer werde ich Ihnen gleich
falls einsenden.


Vorläufig erbitte ich mir Ihre Weisungen
wegen der Eingabe zur Erzwingung der Berichtigung, die ich
möglichst bald überreichen möchte.


Indem ich Sie bitte, mich Herrn Kraus be
stens zu empfehlen, zeichne ich


mit vorzüglicher Hochachtung:
Dr. Turnovsky


P.S.


Wollen Sie bitte die beigeschlossene Vollmacht
von Herrn Kraus unterfertigen lassen und mir
sodann einsenden.


3