Entwurf der Klage gegen den
Autor und den verantwortlichenRedakteur des „Gegenangriff“.
I.
In der Nummer 19 der Wochenschrift„Der Gegenangriff“ vom 26.
November 1933, deren verantwort
licher Redakteur die erstbeklagte
Dr. Marie
Schnierer ist,
wurde ein
„Nachruf auf Karl
Kraus“ betitelter, mit „
Arnold“
unterzeichneter Artikel veröffentlicht, dessen erster Absatz
lautet:
folgt Zitierung des ersten
Absatzes des Artikels.
Beweis: Nr. 19 der
Wochenschrift „Der Gegenangriff“.
II.
Der unbekannte Autor dieses Artikels be
hauptet also, der Privatkläger
habe auch während des Welt
krieges gewünscht, dass man
von ihm kein eigenes Wort er
warte und habe, erst als der
Zusammenbruch der Mittelmächte
entschieden war, diese so beredt wie kein anderer verflucht.
Ferner behauptet er, der Privatkläger
suche
auch heute –
dreiviertel Jahre nach dem Ausbruche des
Hitlertums – sein Schweigen,
das zum Himmel schreit, zu er
klären, er leide zu tief und
habe auch sonst Rücksicht zu
nehmen.
Jeder uneingeweihte Leser
dieses Artikels,
in dem auch sonst noch mehr
oder weniger verschleierte Be
leidigungen des Privatklägers,
deren Verfolgung sich dieser
vorbehält, enthalten sind, muss den Eindruck gewinnen, dass
der Privatkläger
während des Weltkrieges solange geschwiegen
hat, bis der Zusammenbruch
der Mittelmächte entschieden war
und sich erst dann in seinen
Schriften gegen diese gewendet
und sie beredter verflucht hat als andere.
Der Leser muss ferner annehmen,
dass das
„Schweigen“ des Privatklägers seit
der Hitlerherrschaft
die gleiche
opportunistische Tendenz verrate, dass er aber
etwa den Anschein vortäusche oder
die Ausrede haben könnte,
als ob
ein „zu tiefes Leid“ ihn an
einem Ausdruck hindere.
Weiters
wird behauptet, der Privatkläger habe „auch sonst
Rücksicht zu nehmen“.
Wenn auch vom Autor des inkriminierten
Artikels nicht ausdrücklich gesagt wird, worauf der Privatkläger „Rücksicht zu nehmen“ habe, so ist aus dem Zusammen
hange des Artikels klar, dass beim Leser der Eindruck er
weckt werden soll, dass sich der
Privatkläger
deshalb nicht
gegen das
Hitlerregime wendet, weil er es nicht wagt, gegen
dieses Regime zu schreiben, also
aus persönlicher Feigheit,
oder
aus sonstigen unehrenhaften Beweggründen privater Natur.
Die Tendenz des zitierten
Artikels und
die Absicht des Autors ist klar: Es handelt sich darum, über
den Privatkläger
etwas auszusagen, was diesen in der allge
meinen Meinung verächtlich
machen und zurücksetzen kann und
muss.
Da der Autor, wie aus dem weiteren Inhalte
des Artikels hervorgeht, über die Werke des Privatklägers
orientiert ist, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass er
wissen musste und wusste,
die von ihm behaupteten Tatsachen:
nämlich, dass der Privatkläger
auch während des Weltkrieges
gewünscht habe, man möge von ihm kein eigenes Wort erwarten,
und erst, als der
Zusammenbruch der Mittelmächte entschieden
war, diese beredter
verflucht habe als andere; er schweige
jetzt, weil er Rücksicht zu
nehmen habe, etc. – seien unwahr
und bildeten den Tatbestand
der §§ 2 und 3 des Gesetzes vom28.VI.1933 Nro. 108 der
Gesetzessammlung.
Gegenstand der in dem Artikel fälschlich
behaupteten Tatsachen sind die
dem Privatkläger
zugeschriebe
nen
verwerflichen und ehrenrührigen Eigenschaften und Ge
sinnungen, (nachträgliche
Heldenpose eines Feiglings gegen
über der Kriegswelt und die
Feigheit in der Aktualität der
Hitlerwelt).
Diese in dem Artikel über den Privatankläger
angeführten Tatsachen sind geeignet, den moralischen Wert
des Privatklägers
in den Augen der Leser herabzusetzen.
Beweis: Der inkriminierte Artikel unter Vorbehalt
weiterer Beweise.
III.
Ich stelle daher den Antrag
auf Einleitung
der
Voruntersuchung gegen den unbekannten Autor des
in der
Wochenschrift „Der Gegenangriff“ Nr. 19 vom
26.XI.1933 ver
öffentlichten Artikels „Nachruf auf Karl
Kraus“ wegen Vergehens
nach §§ 2 u. 3 des Gesetzes vom 28.VI.1933 Nr. 108 der
Gesetzessammlung, sowie gegen den verantwortlichen Redakteur dieser
Wochenschrift, Dr. Marie
Schnierer, wegen Vernachlässigung der
pflichtgemässen Sorgfalt und
behalte mir die Stellung der
Strafanträge nach abgeschlossener Voruntersuchung und Er
ledigung des gesetzlich
vorgesehenen Vergleichsverfahrens vor.