Sehr geehrter Herr Doktor.
Zu der heutigen Verhandlung
erschien
für die verantwortliche
Redakteurin des „Gegenangriff“
Herr Kollege Dr. Stein, bei dem Dr. Schnierer
als Konzipien
tin
angestellt ist und der die kommunistische Partei haupt
sächlich in Strafprozessen
zu vertreten pflegt. Dieser
wendete ein, dass die verlangte Berichtigung deswegen nicht
veröffentlicht wurde, weil
durch sie nicht eine in dem Artikel behauptete
Tatsache, sondern lediglich ein Druckfehler
/ Auslassung eines
Beistriches / richtiggestellt werden sollte.
Dies entspreche nicht dem
§ 11 des Pressgesetzes.
Dagegen habe ich angeführt:
„In dem zu berichtigenden Artikel
wird behauptet, Karl Kraus
besinge auf der letzten Seite der
‚Fackel‘ sein Schweigen“: und nun folgt die Zitierung des
Gedichtes und zwar richtig bis auf die fünfte Zeile.
Durch den Doppelpunkt und
das Anführungszeichen brachte der
zu berichtigende Artikel zum Ausdruck, dass der Wortlaut
des abgedruckten Gedichtes folgt. Dies ist eine unwahre Tat
sache, durch die der Antragsteller
in seinem berechtigten
Interesse daran berührt wurde, dass das Urteil, welches
sich der Leser des zu
berichtigenden Artikels auf Grund der
über den Antragsteller
behaupteten Tatsachen bilden muss, nicht
auf unwahren Tatsachen
begründet werde, nämlich, dass die 5. Zeile
des Gedichtes laute „Kein Wort das traf“, wenn sie in Wirk
lichkeit folgendermassen
lautet „Kein Wort, das
traf“.
Darauf war
die verlangte Pressberichtigung gerichtet und sie
entspricht auch ihrer
Fassung nach dem Wortlaute des Gesetzes.
Der Richter verlangte von mir die Aeusserung,
ob ich meine Einwilligung zu
einer Fassung der Berichtigung
erteile, die dem Gesetze entsprechend wäre. Darauf erklärte
ich, dass die verlangte
Berichtigung ihrem Wortlaute nach
dem Gesetze entspreche und
dass daher eine neue Formulierung
gemäss § 14 Abs. 4 der Pressgesetznovelle nicht notwendig
sei, weswegen ich meine
Einwilligung zu einer Neufassung des
Berichtigungswortlautes
nicht erteilen könne. Dies tat ich
aus folgenden Gründen: Wird
dem verantwortlichen Redakteur
aufgetragen, die Berichtigung in der vom Gerichte abgeänder
ten Fassung zu
veröffentlichen, dann hat der Antragsteller
die Kosten des Verfahrens zu
tragen. Aus dem bisherigen Ver
halten des Autors und der verantwortlichen
Redakteurin des„Gegenangriff“ musste ich
schliessen, dass die Veröffent
lichung der Berichtigung in
diesem Falle mit einem Zusatze
oder einer Bemerkung erfolgen würde, die auf den Umstand,
Herrn Kraus
sei der Ersatz der Kosten des Verfahrens aufer
legt worden, in ebenso
unanständiger Weise hinweist, wie
die bisherigen gegen Herrn Kraus
veröffentlichten Artikel.
Das
wollte ich unbedingt vermeiden und da ich ausserdem über
zeugt bin, dass der Wortlaut
der verlangten Berichtigung dem
Gesetze durchaus entspricht,
habe ich eine Neufassung dieser
Berichtigung abgelehnt.
Darauf verkündete der Richter den
Beschluss, dass der Antrag,
dem verantwortlichen Redakteur,
möge die Veröffentlichung
der Berichtigung aufgetragen werden,
abgewiesen wird.
Er begründete dies
folgendermassen: In dem zu berichtigen
den Artikel wird nicht behauptet, dass die Zeile 5 des
in
der Fackel erschienenen Gedichtes laute „Kein Wort das traf“.
Nach Ansicht des Richters hätte die Berichtigung lauten
müssen: „Es ist unwahr, dass
Karl Kraus
auf der letzten
Seite sein
Schweigen besingt“: jetzt hätte die Zitierung des
Gedichtes mit Auslassung des Beistriches in der 5. Zeile er
folgen sollen; – richtig
ist, dass Zeile 5 des in dem Artikel
abgedruckten Gedichtes lautet: folgt richtige Zitierung
dieser Zeile.
Diese Entscheidung ist
meiner Ansicht nach
durchaus
unrichtig und ich habe die Beschwerde angemeldet.
Wenn man auch zugeben will,
dass das Press
gesetz auf den Grundsätzen des Formalismus beruht, so darf
der Formalismus sicher nicht
so weit getrieben werden, dass
eine Berichtigung, die tatsächlich so, wie es das Gesetz
fordert, lediglich Tatsachen
anführt, welche die in dem
zu
berichtigenden Artikel enthaltenen Tatsachen richtig
stellen, als unrichtig
bezeichnet und ihre Veröffentlichung
daher abgelehnt wird.
Ueber das Verfahren zur
Verhandlung der
Beschwerde
ist ausser im § 14 Absatz 6 in der Pressegesetznovelle nichts
erwähnt. Dort heisst es nur, dass gegen den
Beschluss gemäss Absatz 2
bis 4 nach den Bestimmungen der
Strafprozessordnung
Beschwerde geführt werden kann.
In dem einzigen bisher
erschienenen Kommentar wird bemerkt,
dass die Bestimmungen über
die Beschwerde nach den Vorschriften
der §§
10 und 12 des alten Pressegesetzes zu handhaben
sind.
Danach käme für
die Beschwerde die Bestimmung der §§ 389
und 390 Strafprozessordnung in Betracht.
Daraus schliesse ich und dies
ist auch die Ansicht des
Gerichtes, dass die Beschwerde schriftlich nicht
ausgeführt
werden kann und
dass über den Inhalt dieser Beschwerde,
sowie über das Verfahren I.
Instanz ohne Intervention
der
Parteien in nicht öffentlicher Sitzung resp. Verhand
lung entschieden werden wird.
Dies ist insoferne unange
nehm, als ich nicht weiss, ob das
Gericht II. Instanz
die Grundlagen der Beschwerde mit
entsprechender Sorgfalt
überprüfen wird, wenn ihm die Beschwerdepunkte nicht in
einem Schriftsatze oder mündlich
ausgeführt werden.
Deswegen will
ich versuchen, die Beschwerde trotzdem
schriftlich durchzuführen und mit
den Referenten auch noch
über die
einzelnen Punkte zu sprechen.
Ich bitte Herrn Kraus
von dem Ergebnis
der
Verhandlung Mitteilung zu machen und hoffe, dass er
mein Vorgehen billigen wird.
Die juristischen Ausführun
gen werden Sie, sehr
geehrter Herr
Doktor, anhand des Ihnen
eingesendeten Pressegesetzes
leicht überprüfen können.
Mit vorzüglichster Hochachtung
ergebener:
Dr. Turnovsky