České slovo[Bericht über den Prozess gegen den Gegen-Angriff][Bericht über den Prozess gegen den Gegen-Angriff]Die letzten Tage der MenschheitDer Gegen-Angriff, 14.1.1934Prager TagblattEine Lanze für Karl KrausDer Gegen-Angriff


Ich berufe mich auf meinen Brief vom 10. d.M.
und gestatte mir mitzuteilen, dass ich noch vor Zustellung der
heute eingelangten schriftlichen Ausfertigung des Gerichtsbeschlusses über die Abweisung des Antrages auf Berichtigung inner
halb der dreitägigen Frist die Beschwerde schriftlich ausgeführt
und überreicht habe. Ich tat dies nach genauer Prüfung und Durch
sicht der einschlägigen Judikatur, insbesondere einer in letzter
Zeit erflossenen Entscheidung, aus der per analogiam geschlossen
werden kann, dass die schriftliche Ausführung der angemeldeten
Beschwerde nicht unzulässig ist.


Der Fall hat, wie zu erwarten war, sehr viel
Aufmerksamkeit erweckt und es erschienen Berichte über das Ergebnis
der Hauptverhandlung im „Prager Tagblatt“ und im „České Slovo“.
Das „Prager Tagblatt“ brachte einen verhältnismässig sachlichen und
auch richtigen Bericht, der allerdings dem juristisch nicht ge
schulten Leser kaum eine Vorstellung darüber gibt, worum es sich
eigentlich handelt. Diesen Bericht wird Herr Kraus sicherlich gele
sen haben. Das „České Slovo“ brachte einen sachlich und juristisch
vollkommen falschen Bericht, in dem behauptet wird, der „Gegenan-
griff“ habe die verlangte Berichtigung zwar veröffentlicht, jedoch
nicht, wie von Herrn Kraus gefordert, mit der Zitierung des ganzen
Wortlautes des Gedichtes, sondern nur der im Artikel des Gegenangriffes fehlerhaft zitierten fünften Verszeile. Dies habe Herrn Kraus zur
Klage veranlasst, welche abgewiesen worden sei, mit der Begründung,
die Auslassung des Beistriches sei ein Versehen des Setzers und kön
ne der verantwortlichen Redakteurin aus dem Titel der Vernachlässi
gung der pflichtgemässen Sorgfalt nicht angelastet werden. Der Be
richterstatter hat, wie Sie sehen, weder die Sachlage, noch die ju
ristische Lage des Falles, erfasst.


In dem am 14. d.M. herausgegebenen Gegenangriff
ist nun ein ganz unerhörter Artikel „Der Kampf um ein Komma odertrauriges Ende des Karl Kraus“ erschienen. Im Nachhange zu diesem Ar
tikel hat offenbar Dr. Schnierer eine Notiz veröffentlicht, deren
Verfassung angeblich nach der Drucklegung des ebenangeführten Artikels erfolgt ist und die sich mit dem Berichtigungsstritte befasst.
Ich lege diese beiden Artikel, deren Inhalt mir beweist, wie recht
ich daran tat, meine Einwilligung zu einer Neuformulierung der ver
langten Berichtigung nicht zu erteilen, bei. Hätte ich eingewil
ligt, dass das Gericht die Berichtigung abändere, so wäre darüber
sicherlich eine ebenso gemeine Notiz erschienen, wie die in der letzten Nummer des Gegenangriff veröffentlichte.


Die namens des Herrn Kraus verlangte Berich
tigung des Artikels „Lanze für Karl Kraus“ wurde nicht veröffent
licht. Mein Schreiben ist am 8. d.M. expediert worden und wurde
der verantwortlichen Redakteurin zu Handen des Herrn Dr. Stein am
9. d.M. zugestellt. Ich glaube, dass es zweckmässig ist, mit der
Ueberreichung des Antrages gemäss § 14 der Pressgesetznovelle bis
nach dem Erscheinen der nächsten Nummer abzuwarten, weil ich
konstatiert habe, dass Dr. Stein einzuwenden pflegt, die Veröffent
lichung der verlangten Berichtigung sei deswegen nicht erfolgt,
weil im Zeitpunkte des Einlangens des Berichtigungsschreibens die
ganze Nummer bereits fertiggestellt war, sodass in dieser Nummer
die Berichtigung nicht mehr erscheinen konnte. Da der Richter
auf diese Einwendung in dem mir bekannten Falle Rücksicht genommen
hat, glaube ich empfehlen zu müssen, dass der Antrag erst über
reicht werden soll, bis feststeht, dass die Berichtigung auch in der
nächsten Nummer nicht erschienen ist.


Um Sie und Herrn Kraus über alle Details zu orientieren
schliesse ich noch eine Uebersetzung meiner Beschwerde und des heu
te zugestellten Gerichtsbeschlusses bei und bemerke, dass ich
beim Vorsitzenden des Beschwerdesenates intervenieren werde.


In der zweiten gegen den verantwortlichen Redakteur
und Verfasser des im Gegenangriffe erschienen Artikels wegen Ver
gehens der üblen Nachrede resp. Verleumdung anhängigen Rechtsan
gelegenheit wurde die Vergleichstagsatzung für den 19. d.M.
angesetzt. Ueber das Wesen der Vergleichsverhandlung nach dem Ge
setze zum Schutze der Ehre möchte ich Folgendes bemerken:


Die Vergleichsverhandlung ist nicht öffentlich. Sie
wird vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes geleitet. Auf Verlangen
irgendeiner Partei entscheidet der die Vergleichsverhandlung
leitende Richter, und zwar nach Möglichkeit sofort bei der Vergleichs
verhandlung, spätestens aber binnen 8 Tagen, welche Genugtuung
er als angemessen erachtet und wie die den Parteien erwachsenen Ko
sten ersetzt werden sollen. Zugleich spricht er aus, in welcher Frist
die Genugtuung zu leisten und die Kosten zu setzen sind. Vor Ablauf
dieser Frist kann die Hauptverhandlung nicht stattfinden. Bei der
Entscheidung über die Angemessenheit der Genugtuung berücksichtigt
das Gericht die Umstände des Falles und es kann als Genugtuung
auch einen Beitrag zu einem bestimmten wohltätigen oder gemeinnützi
gen Zwecke bestimmen. Gegen die Entscheidung kann binnen 3 Tagen
Beschwerde geführt werden, über welche endgiltig in nichtöffentlicher
Sitzung das Kreisgericht in einem Kollegium von 3 Richtern entschei
det. Dann erst wird die Hauptverhandlung angeordnet.


Diese Bestimmung ist insofern wichtig, als das Ge
richt von der Bestrafung des Beschuldigten absehen kann, wenn dieser
in der hiezu bestimmten Frist die Entscheidung über die Genugtuung
erfüllt hat oder diese Entscheidung in den Teilen, deren Erfüllung
von dem Willen des Gegners abhing, wegen dessen grundlosen Wider
standes nicht erfüllen konnte. Ebenso kann von der Bestrafung abge
sehen werden, wenn der Schuldige dem Gekränkten spätestens vor Be
ginn der Hauptverhandlung angemessene Genugtuung geleistet hat.
Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Genugtuung hat das Ge
richt die Umstände des Falles, namentlich den Inhalt und die Form
der Kränkung, die Verbreitung der Aeusserung, das verletzte Interes
se, das Verhalten des Schuldigen nach der Tat, insbesondere aber
den Umstand zu berücksichtigen, ob die Kränkung in wie immer
gearteter Form wiederholt worden ist.


Mit Rücksicht auf diese gesetzlichen Bestimmungen
wird es notwendig sein, dass mir Herr Kraus noch vor dem 19. d.M.
bekannt gibt, welche Art der Genugtuung ihm angemessen erscheint.


Es tut mir unendlich leid, dass es mir trotz meinen
Bemühungen nicht gelungen ist, gleich bei der ersten Verhandlung
einen Erfolg zu erzielen und so Herrn Kraus vor weiteren Anrempelungen
des unsauberen Blattes zu bewahren. Gegen die Dummheit und Bös
willigkeit des Richters ist schwer anzukämpfen, was um so bedauer
licher ist, als gerade dadurch der ganzen Redaktionsgesellschaft
des Gegenangriffes der Mut zu weiteren „Heldentaten“ einge
flösst wird.


Mit dem Ausdrucke vorzüglicher Hochachtung
ergebener
Dr. Turnovsky


3 Beilagen.


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