Uebersetzung:
Bei der mündlichen
Verhandlung vom 10.I.1934
hat
das Strafbezirksgericht in Prag meinen
gemäss § 14 des Ges.Nr. 126/33
überreichten Antrag abgewiesen und erkannt, dass
der Gegner nicht verpflichtet sei, die Pressberichtigung,
zu
welcher er gemäss § 11 des zitierten Gesetzes aufgefordert worden
war, zu veröffentlichen.
Gegen diesen Beschluss habe ich durch meinen Rechtsanwalt sofort bei
der Verkündigung die Beschwerde angemeldet und
führe diese nun innerhalb
der gesetzmässigen dreitägigen Frist
wie folgt aus:
In Nr. 19 der Wochenschrift der Gegenangriff vom26.XI.1933, deren
verantwortliche
Redakteurin die Gegnerin ist,
wurde ein Artikel veröffentlicht, in welchem ohne meine
Genehmi
gung
das in der
letzten
Nummer meiner Zeitschrift „Die Fackel“
von mir veröffentlichte und
verfasste Gedicht abgedruckt war.
Abgesehen davon, dass ich
dazu keine Genehmigung erteilt habe,
wurde das Gedicht fehlerhaft angedruckt, indem die fünfte Zeile
welche im Originale „Kein Wort, das traf;“
lautet, folgender
massen zitiert war: „Kein Wort das traf;“
Ich bemerke, dass
der Sinn
dieser Verszeile durch Auslassung des Beistriches eine
Aenderung erfahren hat,
sodass ich durch diese fehlerhafte Zi
tierung und durch den
Abdruck des Gedichtes in meinem berechtig
ten Interesse daran, dass
sich das Urteil, das sich die Leser des Artikels auf Grund
der in ihm behaupteten
Tatsachen bilden, nicht auf unwahre Tat
sachen gründe, nämlich, dass
mein Gedicht so laute, wie es im
„Gegenangriff“ abgedruckt war und nicht so, wie
ich es verfasst
und in meiner
Zeitschrift veröffentlicht habe.
Deswegen war ich gezwungen,
aber auch berechtigt
um
Veröffentlichung der Pressberichtigung im Sinne des § 11 Nr.
126ex 1933 zu
ersuchen. Dies tat ich in dem eingeschriebenen Briefe
vom 11.XII.1933,
dessen wörtliche Uebersetzung ins čechische
sub II meines Antrages
angeführt ist. Wie aus dem Inhalte dieses
Briefes
hervorgeht, habe ich mich bezüglich der Formulierung
der Pressberechtigung genau
nach den Vorschriften des § 11 derPressgesetznovelle
gerichtet, indem ich lediglich Tatsachen angeführt
habe, welche die in der zu
berichtigenden Nachricht enthaltenen
Tatsachen richtigstellen und
widerlegen. In dem Artikel des Gegenangriff vom
26.XI.1933 ist nämlich behauptet worden, dass ich
im letzten
Hefte der Fackel auf der letzten Seite mein Schweigen
in der Art besungen hätte,
die durch die Zitierung meines Gedichtes wörtlich
wiedergegeben worden ist. Diese Behauptung wurde
dadurch aufgestellt, dass
der Verfasser des Artikels nach dem Sat
ze, ich hätte
mein Schweigen besungen, einen Doppelpunkt gesetzt
und das abgedruckte Gedicht am Anfang und Ende mit Anführungs
zeichen versehen hat. Damit
ist gesagt, dass mein Gedicht so lau
te, wie es abgedruckt worden
ist. Diese Nachricht oder diese
Behauptung betrifft mich und
deswegen habe ich verlangt, dass sie
berichtigt werde und mich
auf die Berichtigung dessen beschränkt,
was der Wahrheit nicht
entspricht, nämlich, dass die fünfte Zeile
des Gedichtes laute: „Kein Wort das traf;“, und diese Behauptung
dadurch berichtigt, dass ich
als richtig angeführt habe, diese
Zeile laute: „Kein Wort, das traf;“
Die verantwortliche
Redakteurin der Wochenschrift„Der Gegenangriff“
hat die verlange Berichtigung nicht ver
öffentlicht und
bei der mündlichen Verhandlung durch ihren Vertreter
erklärt, dies sei deswegen
nicht geschehen, weil durch die Be-
richtigung nicht die
Richtigstellung einer in dem Artikel behaup
teten Tatsache, sondern nur
eines in der Auslassung eines Beistri
ches bestehenden
Druckfehlers verlangt worden sei.
Das Erstgericht hat meinen Rechtsvertreter zur Aeusse
rung darüber verhalten, ob
er die Einwilligung zu einer anderen
Fassung der Berichtigung,
welche dem Gesetze entsprechen würde,
erteilt. Diese Zustimmung
konnte mein Rechtsanwalt deswegen nicht
geben, weil zu einer
Neufassung des Berichtigungswortlautes
mit Rücksicht darauf kein
Grund vorlag,
weil
dass
die verlangte Fas
sung der Vorschrift des § 11 der Pressgesetznovelle voll entsprochen
hat. Nach dieser Vorschrift
muss sich die Berichtigung nur auf
die Bestreitung,
Richtigstellung oder Widerlegung der in dem zu
berichtigenden Artikel
behaupteten Tatsachen beschränken. Weder
die Tatsache, dass sich die
Berichtigung nicht auf die blosse Be
streitung, Widerlegung oder
Richtigstellung der behaupteten Tatsa
che beschränkt hat, noch
dass sie dem Gesamtinhalte der Behauptung
eine berichtigende,
zusammenhängende Darstellung des Sachverhaltes
gegenüberstellt, darf einen
Grund für die Verweigerung der Ver
öffentlichung der
Berichtigung bilden. Das Gesetz beschränkt
zwar die Berichtigung dem
Inhalte nach, nicht aber in der Form
der Darstellung der in ihr
enthaltenen Tatsachen.
Mit Rücksicht auf die
Gesetzesbestimmung, dass
den
Antragsteller die Pflicht zum Kostenersatze dann trifft,
wenn entschieden wurde, dass
dem verantwortlichen Redakteur die
Veröffentlichung der vom
Gerichte in Abänderung des verlangten Wort
lautes formulierten Fassung
der Berichtigung aufgetragen wird,
kann der Antragsteller
sicherlich nicht dazu verhalten werden,
seine Zustimmung zu einer
neuen Formulierung des Berichtigungs
wortlautes, welcher dem
Gesetze durchaus entspricht, zu erteilen.
Das Erstgericht hat den gemäss § 14
der Pressgesetznovelle gestellten Antrag abgewiesen und seinen Beschluss damit
begründet, dass der in Nr. 19 des „Gegenangriff“ vom
26.11.1933
veröffentlichte Artikel die Behauptung nicht enthalte, die fünfte
Zeile meines Gedichtes
laute: „Kein Wort das traf;“
Die schriftliche
Ausfertigung dieses Beschlusses
wurde mir bisher nicht
zugestellt, sodass ich meine Beschwerde
nur gegen jene Punkte
richten kann, welche das Erstgericht in
der
mündlich
vorgebrachten Begründung angeführt hat. Aus dieser münd
lichen Begründung geht
hervor, dass das Erstgericht der Ansicht
ist, meine Berichtigung wäre
nur dann dem Wortlaute nach richtig
gewesen, wenn in dem zu
berichtigenden Artikel folgende Behauptung
wörtlich enthalten gewesen
wäre: „Die fünfte Zeile des Gedichtes
von Karl Kraus,
welches im letzten Hefte der Fackel auf der letzten
Seite veröffentlicht worden
ist, lautet: ‚Kein Wort das traf;‘“
Dies sei jedoch nicht
behauptet gewesen, sondern in dem Artikel
sei der Wortlaut des Gedichtes, allerdings so, abgedruckt worden,
dass die fünfte Zeile
lautet: „Kein Wort das traf;“
Wenn auch die Vorschrift des
§ 11 des Pressgesetzes
einen formalistischen
Charakter hat, so bedeutet die Entscheidung
des Erstgerichtes und deren Begründung gewiss den
Gipfelpunkt eines
vom Gesetze
nicht vorgesehenen Formalismus und muss als unrichti
ge Auslegung der
Bestimmungen des § 11 aber auch des § 14 bezeich
net werden, welcher nur
darum in das Gesetz aufgenommen worden ist,
damit das Gericht der die
Berichtigung fordernden Partei bei der
Fassung der Berichtigung
behilflich sei. Dies soll allerdings nur
dann geschehen und darf nur
dann geschehen, wenn die Partei durch
die Fassung der von ihr
verlangten Berichtigung der Vorschrift
des §
11 nicht entsprochen hat. Das Gericht ist jedoch keines
wegs berechtigt, den von der
Partei verlangten Berichtigungswort
laut abzuändern und neu zu
fassen, wenn dieser dem § 11 entspricht
und so die Antragstellerin
mit den von ihr nicht verschuldeten Ver-
fahrenskosten zu belasten.
Wollte man die Vorschrift des § 11 so
auslegen, wie es das Erstgericht getan hat, dann müsste beinahe
in
allen Fällen der im
§ 11 Absatz 6 erwähnte Fall eintreten, dass die
verlangte Berichtigung das
doppelte Ausmass der ursprünglichen Nach
richt überschreitet, was zur
Folge hätte, dass der Berichtigende
beinahe in allen Fällen
gezwungen wäre, für den dieses Mass über
schreitenden Teil im voraus
die Insertionsgebühren zu bezahlen.
Dies kann nicht die Absicht
des Gesetzgebers sein, welcher die Be
stimmung des § 11 zum Schutze desjenigen geschaffen hat, der berech
tigt ist, die
Pressberechtigung zu fordern und keineswegs zu dem
Zwecke, der Zeitschrift,
welche einen berücksichtigungswürdigen
Artikel veröffentlicht hat,
eine aus den vom Berichtigenden zu
zahlenden Insertionsgebühren
fliessende Erwerbsquelle zu verschaffen.
Deswegen ist klar, dass
durch den angefochtenen Beschluss das Gesetz
und der Sinn des § 11 verletzt worden ist.
Ich stelle daher den
Beschwerdeantrag, der ange
fochtene Beschluss des Bezirksstrafgerichtes in Prag vom
10.I.1934,G.Z. T IV
2534/33 möge aufgehoben und es möge zu Recht erkannt
werden, dass dem
verantwortlichen Redakteur der Wochenschrift „DerGegenangriff“ Dr. Marie Schnierer die Veröffentlichung der ihr im Brie
fe vom 11.XII.1933
eingesandten Pressberichtigung binn 3 Tagen oder
in der nächsten
erscheinenden Nummer der Zeitschrift „Der Gegenangriff“ aufgetragen wird. Gleichzeitig möge sie zum Ersatze der
in dem beigeschlossenen
Kostenverzeichnisse verzeichneten Kosten
schuldig erkannt weden.
Prag, am 13.I.1934.