Sehr geehrter Herr Doktor!
Ich bestätige dankend den
Empfang Ihres gesch.
Schreibens vom 2. d.M., sowie des retournierten Klagskonzeptes mit den
von Ihnen beigefügten
Ergänzungen.
Was nun Ihre Anfrage wegen
Ueberreichung der Klage in meinem
und Ihrem Namen gegen Dr. Kassowitz anbelangt, möchte ich bemerken:
Es ist wohl wahr, dass wir beide
„Krausanwälte sind“ und durch den
betreffenden Passus des inkrim. Artikels in beleidigender Weise
apostro
phiert
werden sollten. Allein weder Sie, noch ich wurden jemals in den
Artikeln des Gegenangriffs
namentlich angeführt, sodass der Leser nicht
wissen kann, wer gemeint ist. Ich
habe daher Bedenken, die Klage zu über
reichen, da ich
befürchte, das Gericht könnte der zu
erwartenden Vertei
digung des Angeklagten Recht geben und erkennen,
dass die allgemeine
Bezeichnung
„Krausanwälte“ ohne näheren Hinweis auf die Person der
mit dieser Bezeichung Gemeinten,
den strafbaren Tatbestand nicht er
füllt, zumal der Leser nicht
wissen kann, wer gemeint ist.
Auch von der Ueberreichung
der Strafanzeige wegen gefähr
licher Drohung glaube ich
abraten zu müssen und zwar aus folgendem Grunde:
Der betreffende Absatz des Artikels kann wohl nicht anders,
denn als Drohung gedeutet werden.
Man müsste aber behaupten, HerrKraus
sei durch diese Drohung in Furcht versetzt worden und ausser
dem müsste behauptet werden
können, dass der Autor des inkrim. Artikels in der Lage ist, das angedrohte Uebel tatsächlich gegen
Herrn K.
anzuwenden. Ich glaube, es hiesse, dem Gegenangriff
zu
viel Ehre antun, wenn man
dies behaupten wollte und befürchte,
dass im Falle eines Freispruches,
resp. der Einstellung des Ver
fahrens, in neuen Artikeln auf
dieses Verfahren hingewiesen werden
würde, weswegen es
voraussichtlich zu einer Erörterung des Mutpro
blems kommen würde, die uns zu
abermaligem Einschreiten gegen die
se Zeitschrift veranlassen müsste.
Wenn Sie Gelegenheit haben, mit
Herrn Kraus
noch vor seinem
Urlaubsantritt zu
sprechen, dann bitte ich, ihm meine besten Grüs
se zu bestellen und ihm
mitzuteilen, dass ich in Innsbruck den
Schreiber jenes schönen Briefes, Herrn Doz. Dr. Schmuttermayer, auf
gesucht habe. Er ist,
merkwürdigerweise, nicht identisch mit mei
nem gleichnamigen Kriegskameraden. Leider konnte ich mit ihm nur
ganz flüchtig sprechen, da er zu
einem Patienten abberufen wurde,
ich aber wieder wegfahren musste.
Wir haben aber besprochen, dass
wir, wenn irgend möglich, einander besuchen werden.
Ich bin mit den besten
Grüssen an Sie in vorzüglicher
Hochachtung
Ihr ergebener
Dr. Turnovsky