Abschrift
4 U 68/34
Rechtsanwalt Dr. Friedrich Smetana, Wien, I, Riemergasse 11.
Strafbezirksgericht I eingelangt 16. Jänner 1934.
An das
Strafbezirksgericht I
Wien!
Privatankläger: Dr. Richard Smetana.
Rechtsanwaltsanwärter,
Verteidiger in Strafsachen,
Wien, VI., Linke Wienzeile 12.
durch: Dr. Friedrich Smetana,
Rechtsanwalt,
Wien, I., Riemergasse 11.
Vollmacht vom 10. Jänner 1934
angeschlossen.
Beschuldigter: Karl Kraus,
Inhaber des Verlages „Die Fackel“
Wien, III., Hintere Zollamtstrasse 3
Ehrenbeleidigungsklage
einfach, 1 Rubrik
1 Vollmacht
Ich bin seit vier Jahren
Rechtsanwaltsanwärter in der
Kanzlei des Herrn Dr. Richard Pressburger,
Rechtsanwalt in Wien,I., Kärntnerring 12, und
habe bei der Streitverhandlung am 28. De
zember 1933 als dessen Substitut
vor dem Landesgericht für Z.R.S.
zur G.Z. 7 Cg 322/32 die Städtischen Bühnen
Frankfurt a.Main
gegen den Beschuldigten vertreten. Es handelt sich dabei um eine
Klage des Beschuldigten gegen die Städtischen Bühnen Frankfurta/Main wegen Nichtaufführung, bezw. nicht vertragsmässiger Auf
führung seines Stückes „Die Unüberwindlichen“. Schon während
der
Verhandlung, zu der der
Beschuldigte in Begleitung seines Anwal
tes Dr. Oskar Samek erschien und in welcher ich nur pflicht-
und
auftragsgemäss die
Einwände der beklagten Partei vorbrachte,
störte der Beschuldigte wiederholt durch Zwischenrufe, weshalb
er vom Verhandlungsleiter Hofrat
Dr. Chamrath ebenso oft zu
Recht und zur Ordnung gewiesen
wurde.
Nach Schluss der Verhandlung,
der Richter hatte den
Verhandlungssaal (IV) bereits
verlassen, während der Schrift
führer zur Entgegennahme
der Stempelmarken noch im Saale ver
blieb, versuchte der Beschuldigte die Handlungsweise der von mir
vertretenen Partei zu kritisieren. Hiebei wollte er mich zu
einer Debatte bringen. Der Beschuldigte erklärte mir, ich scheine
nicht zu wissen, dass er schon
seit Jahren die „Judenpresse“
bekämpfe, worauf ich eine ganz harmlose Bemerkung machte.
Hierauf stürmte der Beschuldigte auf mich ein und
fragte, was ich mit dieser
Bemerkung sagen wolle, worauf ich je
doch, um die Debatte abzubrechen,
nichts erwiderte.
Dies war für den Beschuldigten der Anlass, mich völlig
schuldlos auf das Schwerste
persönlich anzugreifen. Der Beschuldigte schrie zu mir:
„Aendern
Sie Ihren Beruf, dann werden Sie anständig
werden.“
Ich notierte sofort diese
Aeusserung, wobei ich
den Beschuldigten aufmerksam machte, dass er dies werde
ver
antworten
müssen.
Hierauf wiederholte der Beschuldigte neuerlich
seine beleidigende Aeusserung.
Beweis:
Dr. Karl Hirnschall, Rechtsanwaltsan
wärter in Wien, III., Hiesgasse 8/16 als Zeuge.
Mit Rücksicht darauf, dass die
Beleidigung durch
den Beschuldigten völlig grundlos erfolgt ist, der Beschuldigte
ohne jeden Anlass persönlich
wurde und ich mich auch in meiner
Berufsehre auf’s Schwerste verletzte, stelle ich den
Antrag
auf strenge Bestrafung des Beschuldigten im Sinne des Gesetzes.
Zur Sühneverhandlung werde ich
nicht erscheinen.
Dr. Richard Smetana