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Es dürfte Eurer Durchlaucht bekannt sein,
dass ich die Ehre habe, Herrn Karl Kraus und den Verlag„Die Fackel“ rechtsanwaltlich zu vertreten.


Ich führe für den Verlag „Die Fackel“ Prozesse gegen den
Prager-Verlag „Melantrich“ und zwar auch einen Prozess, in wel
chem vom Verlage „Die Fackel“ auf Bezahlung jenes Betrages
geklagt wird, der auf Grund des zwischen beiden Verlagsan
stalten abgeschlossenen Kommissionsvertrages an meine Mandantin bar zu bezahlen ist. In diesem Prozesse wurde vom
Verlage „Melantrich“ eingewendet, es sei überhaupt kein
Vertrag zustandegekommen, weswegen die Bezahlung der vom
Verlag „Die Fackel“ geforderten Beträge nicht zu erfol
gen habe und der Melantrich-Verlag berechtigt sei, aus dem
gesamten Verkaufserlöse der von ihm übernommenen Bücher
des Verlages „Die Fackel“ seine mit dem Transport dieser
Bücher und mit der Propaganda verbundenen Spesen zu decken.
Diese Behauptung ist evident unrichtig und wird im Prozess
widerlegt werden.


Nicht genug daran, dass der Verlag „Melantrich“
widerrechtlich die Bezahlung der meiner Mandantin gebührenden
Beträge verweigert, hat er zur gleichen Zeit, in welcher er
die Existenz eines zwischen beiden Verlagsfirmen bestehenden
überhaupt Vertrages leugnet, eine Klage gegen den Verlag „Die Fackel“
überreicht, in welcher er, diesmal unter Berufung auf den
bestehenden Vertrag, den Ersatz sämtlicher Spesen verlangt,
die ihm durch das Kommissionsverhältnis entstanden sind.
Ich bemerke, dass diese Spesen nach dem zwischen beiden Par
teien abgeschlossenen Vertrage vom Verlag „Die Fackel“ nicht
bar zu bezahlen sind, sondern dass zu deren Deckung aus
schliesslich die Hälfte des Anteiles des Verlages „Die Fackel“
an dem Verkaufserlöse verwendet werden darf. Daraus geht
hervor, dass die Klage des Verlages „Melantrich“ durchaus
unbegründet ist.


Wie ich aus den mir vorgelegten Korres
pondenzen ersehe, wurde, ohne Wissen des Herrn Kraus eine
Bürgschaftserklärung abgegeben, die von Eurer Durchlaucht,
Herrn Professor Dr. Jaray und Herrn Redakteur Jan Münzer
unterschrieben worden ist und besagt, dass die drei genann
ten Herren für die mit dem Transporte des Lagers der Bücher
von Wien nach Prag verbundenen Kosten bis zur Höhe von
Kč 6.000.–– garantieren. Diese Garantieerklärung hätte vom
Verlag „Melantrich“ schon damals nicht verlangt werden
dürfen, da zur Zeit der Ausstellung der Urkunde von diesem
Verlage noch keinerlei Kosten aufgewendet worden sind und
die später bezahlten Transportspesen durch den Wert des im
Besitze des Melantrich-Verlages befindlichen Bücherlagers
mehr als hinreichend sichergestellt sind. Ganz abgesehen
davon hätte dem Melantrich-Verlag die Person seines Vertrags
partners eine vollkommene Garantie für die Einhaltung des
Vertrages und die Erfüllung der vom Verlag „Die Fackel“ über
nommenen Verbindlichkeiten bieten müssen.


Aber selbst wenn man davon absehen will, dass
das Begehren des Melantrich-Verlages nach Beibringung einer
Garantieerklärung durchaus unbegründet war, so muss man doch
feststellen, dass die Bedeutung dieser Erklärung nur die ist,
dass die Garanten zur Bezahlung des garantierten Betrages erst
dann herangezogen werden dürften, wenn feststeht, dass der
Verlag „Die Fackel“ den Ersatz der Transportspesen in einem
Zeitpunkte nicht leisten kann, in welchem dieser Ersatz ge
fordert werden darf. Dieser Zeitpunkt ist bisher überhaupt
nicht eingetreten, noch weniger Zahlungsunfähigkeit des Verlages „Die Fackel“. Ausserdem aber wurde, wie aus dem Brief
des Redakteurs Jan Münzer vom 3.7.1934 klar hervorgeht, die
Garantie nur für den Fall verlangt und abgegeben, dass der
Transport der Bücher „überhaupt nicht an den Bestimmungsort
gelangen würde oder für den theoretischen Fall, dass der Ab
satz der Bücher aus irgendwelchen Gründen / Verbot im Inlande,
Vernichtung während des Transportes, u.s.w. / unmöglich wäre“.
Wie Herr Münzer in diesem Briefe ausdrücklich bemerkt, war
die Garantie am 3.7.1934, d.i. zur Zeit der Absendung dieses
Briefes, bereits überholt, „da die Bücher ja bereits hier
sind. … Die Garantiepflicht tritt normalerweise überhaupt
nicht ein, da ja heute bereits die Bücher selbst eine Garantie
darstellen.“


Aus dieser Erklärung des Herrn Münzer, der be-
kanntlich die Verhandlungen für den Melantrich-Verlag geführt
hat, ist eindeutig ersichtlich, dass dieser Verlag selbst dann
nicht berechtigt wäre, die Garanten zur Zahlung heranzuziehen,
wenn ihm, was absolut nicht der Fall ist, auch das Recht zustünde,
jetzt schon Zahlung zu verlangen und wenn der Verlag „Die Fackel“
nicht in der Lage wäre, Zahlung zu leisten.


Nun wurde Herrn Kraus mitgeteilt, dass der
Verlag „Melantrich“ die Kühnheit hatte, Euere Durchlaucht zur
Bezahlung der garantierten Kč 6.000.–– .au s f zufordern und dass
darauf tatsächlich dieser Betrag überwiesen worden ist. Herr
Kraus war darüber ausserordentlich bestürzt und da ich als sein
Anwalt von dieser Sache Kenntnis erlangt habe, gestatte ich mir
darauf aufmerksam zu machen, dass die erfolgte Bezahlung eine
ungerechtfertigte Bereicherung des Melantrich-Verlages darstellt,
gegen die nicht nur schwerwiegende juristische, sondern auch
moralische Bedenken vorliegen. / Der Melantrich-Verlag zahlt
nicht, was er zu zahlen verpflichtet ist, klagt den FACKEL-Verlag
auf Bezahlung sämtlicher Spesen, die er zum Teil überhaupt nicht,
zum Teil noch nicht zu fordern hat, und verlangt noch darüber
hinaus weitere 6.000.–– Kč aus dem Titel einer bereits erloschenen
Garantie. /


Es wäre also mehr als angebracht, ja es ist
sogar notwendig, den an den Melantrich-Verlag bezahlten Betrag
von 6.000.–– Kč zurückzuverlangen, weswegen ich mir gestattet
habe, Euerer Durchlaucht die ganze Sachlage zu schildern und mir
erlaube, Ihnen nahezulegen, den Melantrich-Verlag zur Rückerstat
tung des Betrages aufzufordern. Ich bin natürlich mit Vergnügen
bereit, dies für Euere Durchlaucht zu tun und bitte, mich hiezu
zu ermächtigen.


Mit dem Ausdrucke der vorzüglichsten Hochachtung
ergebener:


P.S.
Jedenfalls bitte ich um die Mitteilung, wann der Betrag von
6.000.–– Kč überwiesen worden ist.


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