Die Fackel


Sehr geehrter Herr Doktor.


Die schriftliche Urteilsausfertigung
ist mir nunmehr zugestellt worden und ich sende Ihnen in der
Beilage die wörtliche Uebersetzung des Urteiles ein.


Aus dieser werden Sie ersehen, dass die Urteilsbegründung zwar
nicht ideal, aber immerhin so ist, dass das Urteil auch in den
Instanzen standhalten kann. Insbesondere wird es Herrn K. wohl
unangenehm berühren, dass das Gericht mit besonderem Nachdruck
auf die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen der Herren Münzer
und Dr. Fučík hinweist, während es die Aussage des Herrn K.
betreffend die Stellung des Herrn Münzer als Bevollmächtigten
der beklagten Partei für nicht richtig hält. Das Gericht be
tont allerdings, dass es sich hier um einen Irrtum des Herrn
K. handelt.


Ich habe schon bei meinen Unterredungen
mit dem Richter bemerkt, dass dieser Münzer und Fučík vollen
Glauben schenkt, und habe mich bemüht, ihn davon zu überzeugen,
dass insbesondere Münzer dieses Vertrauen nicht verdient. Er
hat doch weder ausdrücklich, noch durch konkludente Handlungen
zu erkennen gegeben, dass er zu den Verhandlungen und zum Ab
schlusse des Vertrages nicht ermächtigt ist, im Gegenteil, sein
Verhalten konnte keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, dass
er im Auftrage und im Einverständnisse mit dem Verlage handelt.


Das Ergebnis seiner Verhandlungen wurde ja auch
vom Verlag Melantrich übernommen und schriftlich festgelegt.
Der Passus des Urteiles, in welchem davon die Rede ist, dass
die beklagte Partei im Briefe vom 16.VI.1934 darauf verwiesen
hat, dass Münzer nicht berechtigt war, für sie zu handeln und
sie zu verpflichten, sodass der Irrtum des Herrn K. noch recht
zeitig in einem Zeitpunkte aufgeklärt worden ist, in welchem
die Verhandlungen zwischen den Parteien noch im Gange waren
und der Vertrag noch nicht abgeschlossen war, beruht auf dem
grundlegenden Irrtum, dass der Vertrag erst nach Austausch
der vielen Briefe und nicht schon früher mündlich perfektioniert
worden ist. Diese Auffassung widerspricht übrigens der eigenen
Feststellung des Gerichtes darüber, was aus der vorgelegten
Korrespondenz als erwiesen angesehen werden muss.


Die Frage der Bevollmächtigung des Herrn Münzer
ist jedoch durchaus irrelevant und die diesbezüglichen Bemerkun
gen der Urteilsbegründung sind wohl Schönheitsfehler, aber
keine Mängel, die gegen die Urteilsbegründung als solche irgend
wie geltendgemacht werden könnten.


Da ich nicht daran zweifle, dass die Gegenpartei
Berufung erheben wird, werde ich übrigens noch Gelegenheit haben,
auf den diesbezüglichen Irrtum des Prozessgerichtes hinzuweisen.


Sonst ist das Urteil recht sorgfältig begründet
und juristisch jedenfalls haltbar und ich nehme an, dass der
Richter den Passus über die Glaubwürdigkeit der Zeugen deswegen
aufgenommen hat, um es sich mit dem politisch sehr einflussrei
chen Melantrich-Verlag nicht ganz zu verderben, wenn er schon
gegen ihn entscheiden musste.


Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Doktor,
das Urteil Herrn K. zu übermitteln und bei dieser Gelegenheit
mitzuteilen, dass die Hauptverhandlung in Angelegenheit Dr.
Emil Strauss SOZIALDEMOKRAT am 15.IV.1936, 11 1/2 Uhr vormit
tags stattfinden wird.


Ich bestätige mit Dank den Empfang der er
betenen Fackelhefte und bin mit besten Grüssen an Herrn K.
und Sie und in vorzüglichster Hochachtung


Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky


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