Reichspost, 4.11.1934


Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich erhielt Ihren Brief vom 7. d.M., sowie
den beigeschlossenen Artikel aus der Reichspost, Wien. Den Artikel habe ich gelesen und den gelungenen „Grubenhund“ be
wundert, glaube jedoch nicht, dass es sich empfehlen wird,
im Prozesse gegen den „Sozialdemokrat“ auf diesen Artikel
hinzuweisen. Wie ich bereits einmal bemerkt habe, sind die
Richter beider Prager Pressesenate durchaus sozialdemokratisch
orientiert. Das Justizministerium ist nämlich bei uns seit
langem in sozialdemokratischen Händen und so ist es gekommen,
dass zu Richtern der Pressesenate ausschliesslich Sozialdemo
kraten bestellt werden. Zwischen den deutschen und den tsche
chischen Sozialdemokraten herrscht ein gutes Einvernehmen
und ich befürchte, dass die Richter peinlich berührt wären,
wenn der Artikel eines ausländischen antimarxistischen Blattes
produziert würde, in welchem nicht nur das Parteiorgan der
Prager deutschen Sozialdemokratie – wenn auch mit Recht – lächer
lich gemacht, sondern auch gegen die Partei als solche
geschrieben und insbesondere die Hoffnung ausgesprochen wird,
dass die deutschen Sozialdemokraten bei den nächsten Wahlen
schlecht abschneiden werden.


Ich behalte jedenfalls den Zeitungsaus
schnitt bei mir, um ihn, wenn es die Prozessituation erfordern
sollte, zu produzieren, glaube jedoch, dass es nicht dazu
kommen wird.


Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Doktor, HerrnKraus’ die hier geäusserten Bedenken bekanntzugeben und meine
ergebenen Grüsse zu bestellen.


Mit vorzüglicher Hochachtung
ergebener:
Dr. Turnovsky


3