Uebersetzung.
Bei der Hauptverhandlung
habe ich mich dafür
zu
verantworten, dass in dem inkriminierten
Artikel über den
Privatkläger folgende Behauptungen aufgestellt,
resp. gegen
ihn nachfolgende
Ausdrücke vorgebracht wurden.
1./ Dass die Zeitschrift FACKEL eine faszistische Hetz
schrift ist.
2./ Dass an dem Privatkläger seine 60 Jahre nicht spurlos
vorübergegangen sind.
3./ Dass sich der Privatkläger dazu versteigt, wilde und
zugleich läppische Ausfälle
gegen den Marxismus und die Sozial-
Demokratie zu unternehmen.
4./ Dass der Privatkläger den Arbeitern nicht verzeihen
könne, dass sie ihm den
elektrischen Strom abgeschnitten haben.
5./ Dass im letzten
Fackelhelf schon keine Spuren des ehe
maligen Kämpfers und
Satirikers Karl
Kraus vorzufinden sind,
auch nicht was den Stil
anbelangt.
6./ Dass es sich um einen
Verfall handelt, der in der Tiefe
des Absturzes noch den des
Gerhard Hauptmann übertrifft.
7./ Dass der leitende
Gedanke die kurzsichtige Erwägung ist,
dass der Fascismus in Oesterreich und Italien die Juden unge
schoren lässt und daher das
kleinere Uebel gegenüber dem
Hitlerfascismus darstellt.
8./ Dass es der Privatkläger versucht hat, die tschecho
slovakischen
Behörden gegen die österreichische Emigration
und gegen einzelne
Schriftsteller aufzuputschen und dass die
tschechoslovakische Politik
noch nicht durch die Ressentiments
und Interessen der
Wiener-isrealitischen Kultusgemeinde be
stimmt wird.
9./ Dass der Privatkläger bereits zu verblendet ist, um
in dem Spiel der Fey, Starhemberg und Schuschnigg die
Kopie
der deutschen
Metzeleien zu erkennen.
10./ Dass der Privatkläger den Weg der Gleichschaltung
gegangen ist.
Zu den einzelnen Punkten des
inkriminiertenArtikels führe ich
an:
ad 1./ Insoferne sich der
Artikel mit der Zeitschrift
„Die Fackel“ verfasst, kann es sich überhaupt um
keine straf
bare
Handlung handeln, weil gemäss § 5 des Gesetzes über denEhrenschutz
ausländische oder im Auslande herausgegebene Zeit
schriften überhaupt keinen
Ehrenschutz geniessen. Diese ge
setzliche Vorschrift kann
auch dadurch nicht umgangen werden,
dass die Klage nicht namens
der Zeitschrift, sondern im Na
men des Eigentümers oder Redakteurs überreicht wird.
In diesem Zusammenhange
weise ich darauf hin, dass auch in
ländische Zeitschriften den
Ehrenschutz ausdrücklich hinsicht
lich der in den §§ 2 und 3 des Gesetzes angeführten
Handlungen
gemessen,
keinesfalls auch hinsichtlich des Vergehens nach
§
1 und umsoweniger bezüglich der Uebertretung der pflicht
gemässen Sorgfalt gemäss § 4 des Pressgesetzes.
Da ich den inkriminierten Artikel weder geschrieben, noch
gelesen, noch in Druck
gegeben habe, ist die aktive und passive
Legitimation in diesem
Prozesse in höchstem Masse strittig.
ad 2./ Die Behauptung, dass
an den Privatkläger seine
60 Jahre nicht spurlos
vorübergegangen sind, enthält überhaupt
keinen strafbaren
Tatbestand, sondern es handelt sich um die
blosse Konstatierung einer
naturwissenschaftlich evidenten
Tatsache, die vom Standpunkt
des Ehrenschutzes durchaus
irrelevant ist. Allein selbst wenn man annehmen wollte, dass
durch diese Konstatierung
der objektive Tatbestand einer der
Delikte gegen die Ehre
erfüllt ist, so wäre die Strafbarkeit
doch gemäss § 6 Absatz 1 ausgeschlossen, weil die Grenzen
einer sachlichen Beurteilung
der künstlerischen Leistung des
Privatklägers nicht überschritten wurden. Schon in diesem
Zu
sammenhange
sei angeführt, was übrigens auch für alle weiteren
inkriminierten Ausdrücke zu
gelten hat, insoferne in ihnen
per inconcessum der Tatbestand der Ehrenbeleidigung zu er
blicken ist, dass der
Beklagte sich der Handlung nur aus
Uebereilung und Aufregung,
verursacht durch das unmittelbar
vorangegangene
herausfordernde oder ärgerniserregende Benehmen
des an der Ehre Gekränkten
schuldig gemacht hat und die
Art und Weise, wie die Handlung begangen wurde, durch die
Umstände entschuldbar ist.
Beweis: Heft 890 bis 905 der FACKEL.
ad 3./ Wilde und läppische
Ausfälle gegen den
Marxismus
und die Sozialdemokratie:
Das letzte
Fackelheft vom Juli 1934 ent
hält unzählige wilde und
zugleich läppische Ausfälle gegen
den Marxismus und die
Sozial-Demokratie und gegen einzelne
sozialdemokratische und
sozialistische Funktionäre und
Parteimänner. Ich greife nur folgende heraus: Seite 172:
Nationalsozialdemokratie: Seite 173: Unterhäusler, Ober
stübchen,
benommener Stratege . Seite 174: Gerettete Führer,
die ein ruhm- und
heilloses Handwerk weitertreiben. Moralisch
gehemmt. Parvenu. Auto
sind sie gern gefahren . Seite 175:
Brett vor dem Kopf.
Bestialität. Seite 176: einmal eins.
Seite 177: Aeusserster Abscheu vor
menschlicher und staats
bürgerlicher
Undankbarkeit. Paralyse . Seite 178: Dass es auch
ein kleineres Uebel, als
die Sozialdemokratie gibt .
Seite 179: Der tote Esel.
Gewerbsmässige – Nun erst – Rechthaber.
Frei von Mitleid mit den
Opfern auf beiden Seiten. Die
Sozialdemokratie nichtig
von ihrem Ursprung an. Verfalls
reif und absurd schon
neben der grösseren Konstruktion des
Kommunismus.
Verunehrung, Gastfreundschaft, intellektuell
zu missbrauchen,
Winkeladvocatus diaboli, Bureauvorstand
der zweiten
Internationale . Seite 180: Nationalsozialdemo
kratie . Seite 181: Dass die sozialpolitischen
Dinge, welche
ja im
Grunde mehr die Arbeiterschaft, als die Intellektuel
len betreffen, / und
wahrscheinlich auch die geistigen Dinge /
bei Faulhaber, Innitzer
und Mercier in besserer Obhut sein
dürften, als bei Hilferding, Bauer und Blum . Seite 182:
Abschaum, Verrat.
Seite 184: Ideo- und Termino-Lügner,
Heuchler, nie zuvor ist
… dermassen gelogen worden.
Die Lügner. Seite
185: Doppelte Buchhaltung
„Niedermachen“
Unfähigkeit, mit einem Parteiorgan auf zwei Bluthochzeiten
tanzen /
Anspielung auf ein volkstümliches Wort, sich mit
einem Hintern an zwei
Hochzeiten zu beteiligen /. Seite 187:
Hier verspottet der Privatkläger den Kampf der Sozialdemo
kratie für die
Erhaltung der Demokratie. Seite 189: Obszön
Pollakwitz .
Seite 191: Hier spottet der Pr.Kl. die Zeit
schrift „Arbeiterzeitung“, weil diese infolge
Veränderter
Verhältnisse
in kleinem Format erscheint. Seite 193: Hier
wirft der Pr.Kl. den sozialdemokratischen Führern persönli
chen Oppotunismus
vor. Seite 196: dreisteste Lüge.
Seite 197:
Blutschuld. Seite
199: Der logische
Pallawatsch. Seite 200:
Des konzentrischen Feuers
der Lüge, Seit der Erfindung der
Lüge wurde kaum jemals
so offener Gebrauch von diesem
Verkehrsmittel gemacht . Seite 201: Kommunismus … nicht
in einem Atem mit der
Sozialdemokratie nehmen. Dummheits
unterschiede zwischen
den Linksgruppen, die noch heute
wähnen, dass die Bretter
vor den Stirnen die Welt bedeuten .
Seite 206: Presslumperei. Seite
210: Weltorganisation des
Unvermögens .
Seite 211: Mut der Taktlosigkeit,
Bürosekretär
der
Revolution . Seite 212: Tollhäusler, die für die
Arbei
terschaft und für sich viel getan haben. Emporkömmlings
allüren . Seite
213: Scheuel und Greuel.
Seite 214: erlogen.
Seite 218: Verleumdungen. Seite
220: die bewussten und
grundsätzlichen
Vertreter der Eigenschaft, die Götter solange
vergebens bekämpfen, bis
Hitler gewinnt . Seite 221:
Trotz
buben /
Wortspiel auf Rotzbuben /.
verkrachte Pfuscher.
Seite 224: Sozial-Demokratie –
kleineres
Uebel. Beim
Lügen . Seite 227: Trotz besserem Eisen.
Seite 230:
Schamlos / Angriff
auf die Zeitschrift des Angeklagten „Sozial-Demokrat“ /. Unverantwortlicher Redakteur / Persönliche Belei
digung des Angeklagten / Seite 231: Nutzniesser
Grundlüge .
Seite 232: Das Delirium eines Wettlaufs
aller
Einzellügen., …
ob der Verfasser … bei Bewusstsein war .
Seite 234: Hier regt sich
der Pr.Kl. darüber auf, dass
es angeblich verboten
war, in der Zeitschrift „Sozialdemokrat“
weitere Hymnen auf den Pr.Kl. zu schreiben und
verwendet dabei
diese
Ausdrücke: kraft des infamsten
Gesetzes, das jemals
eine
Redaktion gegen geistig Selbstständige erlassen hat.
Parteityrannei. In
Eisenbahncoupés gewahrt man die Aufschrift,
die mehr der Hygiene als
der Sprachlehre entspricht: „Es wird
ersucht, nicht in den
Waggon zu spucken“. Bei Redaktionen
müsste sie jedenfalls
aussen angebracht sein .
/ Dies alles, weil die Zeitschrift des Angeklagten angeblich auf
gehört hat, günstige
Kritiken über die Vorträge des Pr.Kl. zu
veröffentlichen. /
Lügen wird man immer
dürfen. Seite 236: Demagogen. Seite
237:
Kopfblätter –
Herzblätter. / Anspielung auf die Zeitschrift
„Sozialdemokrat“ und seine sogenannten
Kopfblätter.
Seite 238: Was aber die zweite
Internationale – durch einen
Gaskrieg zu verhindern
hofft. Das Absurdum einer Partei .
Seite 239: Die Herren vom Bürovorstand
der zweiten Internationale.
Dilettantismus
. Seite 245: schmähliche Abhängigkeit der
Partei
von einem
Erpresser. Bezirksbonze . Seite 246: Kadavergehorsam.
Demagogie oder Lumperei
schlechthin, Beauftragte der Korruption,
Bonzenschaft,
kulturgeschichtliche Schande . Seite 247: selbst
wenn es der
Sozialdemokratie nicht gelingen sollte, ihn durch
den Gaskrieg zu
verhindern .
Dann folgt die
Beschuldigung, die Sozialdemokraten
hätten das Testament des
verstorbenen Abgeordneten und Journalisten
Austerlitz beseitigt. Seite 248: Mundwerker. Seite
249: Gewissenlosig
keit der Auslandskämpfer . Seite 250: Propaganda der Lüge, Dumm
heit der
Ueberlebenden . Seite 251: alle Verachtung
schuldiger
Parteiphraseure . Seite 252: Freiheitstrottel.
Seite 255: Verlo
genste
Parteijournalistik der Welt . Seite 257: in Tollhäusern
der prinzipiellste
Blödling . Seite 259: Diktator,
Banalität.
Seite
261: Pleite, das Einmaleins.
Schätzer. Seite 263: Sind
diese Intellektuellen
schon so ganz dem Intellekt abtrünnig,
dass sie den klarsten
Sachverhalt von Fähigkeit und Leistung
nicht nur zu leugnen
vermögen, sondern sich erfre
chen, den der sieht und
nicht lügt, zur Rede zu stellen?
Sind sie wirklich so
undankbar oder so grausam dumm, ver
logen . Seite
264: Grundsätzliche
Lügerei. Seite 265: Lügnerische
Hetze. Böswillige
Agitatoren, gutartige Schätzer, Trotz
buberei . Seite
266: Lüge, Lügner. Seite
267: Infamie. Seite
268: faustdicke Presslüge.
Lügengebäude. Seite 269: Idiotische
Taktik . Seite
270: Radaupresse. Idiotie.
Seite 271: Tropf.
Seite 272: Linker Wisch. Seite
273: Trottelei. Seite
275:
Hetzende
Flüchtlinge. Seite 276: Ueber die Beseitigung des
Parlamentarismus äussert
sich der Pr.Kl. folgend: dass ich
die Abschaffung der
„legalen Tribüne“, auf der all der
Kohl gepflanzt werden
konnte, für einen Segen halte .
Seite 277: Dummheit. Belästigung,
Erpressung und scham
lose Gewissenpfändung.
Sozialdemokratisches Verbrechen .
Seite 281: Hier beantragt
der Pr.Kl., durch eine Notverordnung
die Prügelstrafe für „ Unverantwortliche“
Redakteure ein
zuführen. Seite 282: Schwachköpfe. Seite
285: Simpl.
Seite 286: Chuzbe, frech. Seite
288: Tatsachenlügen. Stuss,
Dummheit, Orgien der
Verlogenheit . Seite 289: Sozialdemo
kratische Mache
. Seite 290: Lüge. Seite 291:
Wut eines un
zulänglichen
Brandstifters, verpfuschte Untat . Seite 293:
Bestialität, Pack,
ramponierte Demagogen, lügt, Lüge.
Seite 294: Lüge. Seite 295:
Lüge. Tölpl. Seite
296:
Hier befasst sich
der Privatkläger mit Dingen des Privat
lebens des
französischen Politikers Felix / ? / Faure.
Seite 312: Intellektuelle
Ausbeuter.
Schon diese Beispiele aus
der Nummer 890 bis905 der
Zeitschrift „Die Fackel“
ermöglichen in ihrer
Gesamtheit ein Urteil darüber, was von der Behauptung
der Anklageschrift zu halten
ist, dass in diesem Fackelhefte gegen den
Marxismus und gegen die Sozialdemokratie
keine Ausfälle, daher weder
wilde noch läppische unter-
nommen worden sind, sondern
dass bloss die Haltung und
Politik der Führer der österreichischen Sozialdemokratie
im Kampfe der Regierung
gegen den Nationalsozialismus
einer durchaus berechtigten Kritik unterworfen wurde.
Ein Schriftsteller, welcher
sich eine solche Sprache
erlaubt, wie aus der ansehnlichen Reihe der oben angeführten
Zitate hervorgeht, muss sich
nach der bescheidenen Ansicht
des Beklagten gefallen lassen, dass seine
Handlung von
den durch ihn
Angefallenen entsprechend kritisiert werde.
Beweis: Fackel Nr. 890 bis 905.
ad 4/ Die Behauptung, der
Pr.Kl. könne es den Arbei
tern nicht verzeihen, dass
sie ihm den elektrischen Strom
durchgeschnitten haben:
Im Hefte der
Fackel vom Juli 1934 wird auf
Seite 74 bis 75 mit
Erbitterung konstatiert, dass der Pr.Kl. am 12.II.1934
um 11 Uhr angeblich gerade die letzte
Korrektur eines
fertiggestellten Fackelheftes vornehmen
wollte, als infolge eines
Generalstreikes die Vornahme
dieser Korrektur dadurch vereitelt wurde,dass das elektri
sche Licht ausgeschaltet
wurde. Die Behauptung, dass der
Privatkläger nichts geschrieben habe, was die Annahme
begründet erschienen liesse,
er sei gegen die Arbeiter
wegen der Störung der elektrischen Leitung aufgebracht,
ist daher im Widerspruch zu
dem letzten Hefte der FACKEL.
Beweis: Fackelheft 890 bis 905.
ad 5./ Die Behauptung, an
der letzten Nummer derFackel sei nicht mehr viel vom Kämpfer und Satiriker KarlKraus zu erkennen, bildet keinen strafbaren Tatbestand,
sondern ist nur eine
zulässige Kritik einer künstlerischen
Leistung:
Beweis: Fackelheft Nr. 890 bis 905.
ad 6./ Was die Vergleichung
des Privatklägers mit Gerhart Hauptmann
betrifft, ist es dem Gerichte überlassen
zu
entscheiden, ob in
dieser Behauptung eine Ehrenbeleidigung
zu erblicken ist. Insofern
darin eine Anspielung darauf
enthalten ist, dass der Privatkläger, ebenso
wie GerhartHauptmann in seinem
Alter die Ideale verlassen hat, für die
beide / Hauptmann und Kraus / in
früherer Zeit gekämpft
haben,
so wird über diese Behauptung der Wahrheitsbeweis
in Verbindung mit dem
Beweise über die anderen inkriminier
ten Stellen geführt werden.
ad 7/ Dass der Privatkläger den österreichischen und
italienischen Faszismus
gegenüber dem Hitlerfaszismus des
halb für das geringere Uebel
hält, weil jene die Juden
ungeschoren lassen, muss einem jeden klar sein, der die
Fackel
vom Juli 1934 liest. Aber auch dieser Vorwurf begrün
det nicht den Tatbestand der
Ehrenbeleidigung, da im Ehren
beleidigungsprozesse nicht
entschieden werden kann, welches
von den faszistischen
Systemen das kleinere Uebel darstellt,
das reichsdeutsche,
italienische oder österreichische.
Es ist das Recht des Privatklägers als Juden, den faszisti
schen Systemen
den Vorzug zu geben, die die jüdischen Interes
sen weniger berühren, als
der reichsdeutsche Faszismus.
Dagegen ist es auch Recht des Beklagten, als
Redakteur der
Arbeiterzeitung
SOZIALDEMOKRAT, die die
Interessen aller
Bedrückten
und nicht nur der bedrückten Juden wahrt, eine
derartige Konzeption als
kurzsichtig zu bezeichnen.
Ad 8/ Darüber, dass es der
Pr.Kl. versucht, die
tschechoslovakischen
Behörden gegen die österreichische
Emigration aufzuhetzen,
beantrage ich den Wahrheitsbeweis
durch die Fackel
vom Juli 1934, in welcher zum Beispiel auf
Seite 218 der Privatkläger die Tatsache kritisiert, dass
das
tschechoslovakische
Volk den Emigranten Gastfreundschaft
gewährt. Eine weitere
Denunziation der österreichischen
Emigranten ist auf Seite 291
enthalten und in gleicher
Art
äussert sich der Privatkläger auch auf Seite
275. Allein
die Denunziation
der österreichischen Emigranten ist auch
an anderen Stellen der Fackel zu konstatieren, nämlich auch
dort, wo nicht ausdrücklich
an die tschechoslovakischen Be
hörden appeliert wird. Bei
der Beurteilung dieses Vorgehens
des Privatklägers muss erwähnt werden, dass dieser dem reichs
deutschen
Schriftsteller Alfred Kerr im Jahre 1928 eine
eigene Nummer von 208
Seiten, betitelt „Der grösste Schuftim ganzen Land“
gewidmet hat, in welcher er den Beweis
darüber führt, dass der Schriftsteller
Kerr dem Privatkläger
in einem in einem
Zivilprozesse überreichten Schriftsatz bei der
deutschen Oeffentlichkeit
dahin denunziert habe, er / KarlKraus / sei kein
deutscher Patriot. Wurde im inkriminiertenArtikel bemerkt, dass die tschechoslowakische Politik bisher
nicht durch die
Ressentiments und Interessen der israeliti
schen Kultusgemeinde
bestimmt werde, so kann in dieser
Behauptung keine Beleidigung
des Privatklägers erblickt
werden. Es wird vielleicht
dem Zentralorgan eine Regie
rungspartei der
tschechoslovakischen Republik gestattet sein,
sich gegen die Einmischung
eines Ausländers in innerpoliti
sche Verhältnisse der
tschechoslovakischen Republik und gegen
das Bestreben zu verwahren,
die tschechoslovakische Innen-
und Aussenpolltik möge sich den Wünschen der reichen Wiener
juden anpassen, die /
übrigens zum Unterschied von der
überwiegenden Mehrheit der
österreichischen Bevölkerung /
mit der dort heute herrschenden Diktatur zufrieden sind,
einverstanden sind, mit der
Vernichtung der Koalitions- und
Organisationsfreiheit der
Arbeiterschaft, mit der Auflösung
der Arbeiterparteien und
Gewerkschaftsorganisationen, mit
der Vernichtung der
demokratischen Freiheit und mit einer
Politik, die zur
Restauration des österreichisch-ungarischen
Monarchie unter der Führung
des Geschlechtes der Habsburger
führt, sowie mit den
Bemühungen, durch welche die auf dem
Gebiete des ehemaligen
Oesterreich-Ungarn entstandenen
Nationalstaaten gefährdet
erscheinen. Verwahrt sich der Privatkläger als
neugebackener österreichischer Patriot dagegen,
dass sich das Ausland um
österreichische Ereignisse kümmert,
so kann sich das Blatt des Beklagten mit weitaus grösserer
Berechtigung gegen die
unzulässigen Eingriffe des Pr.Kl.
in die tschechoslovakische
Politik verwahren, allein von
einer Beleidigung des Privatklägers kann
hiebei keine Rede
sein. Beweis: Die Fackel Nr. 890 bis 905, 787 bis
794.
ad 9./ Ob Fey, Starhemberg und Schuschnigg Faszisten
sind oder nicht, ob ihr
Regime für den europäischen Frieden
zuträglich ist oder ob sich
diese heutigen Herrscher Oesterreichs
in die Dienste der Habsburger und der übrigen Frie
denstörer begeben haben,
kann nicht Gegenstand dieses Pro
zesses sein. Die Zeitschrift
„Sozialdemokrat“ ist der An
sicht, die Herren
Fey, Starhemberg und Schuschnigg seien
eine
Kopie des deutschen
Regimes und das österreichische dikta
torische Regime sei nur
dadurch möglich gewesen, dass
im benachbarten deutschen Reiche die nationalsozialistische
Diktatur zur Macht gelangt
ist. Wenn der Privatkläger ent
gegengesetzter Ansicht ist,
dann ist dies seine Sache. Die
Zeitschrift „Sozialdemokrat“ hat
das Recht, diese Ansicht
des
Privatklägers als unrichtig, resp. als
verblendet zu
bezeichnen. Die
Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Ansichten
der Parteien kann in diesem
Prozesse nicht entschieden
werden. Eine Beleidigung kann jedoch nicht dadurch gegeben
sein, dass vom Privatkläger behauptet wird, er habe eine
irrige verblendete Ansicht
über eine konkrete politische
Situation. Beweis: Fackel Nr. 890 bis 905.
ad 10/ Ich überlasse es der
Beurteilung des Gerichtes,
ob eine Ehrenbeleidigung
darin zu erblicken ist, dass sich
der Privatkläger gemäss der Regierung
seines Staates
gleichgeschaltet hat.
Der Privatkläger erklärt auf Seite 170 bis 315 des Fackelheftes vom
Juli 1934, dass und warum er ein glühender An
hänger des österreichischen
Regimes ist. In diesem Hefte
billigt der Privatkläger alles, was das jetzige österreichi
sche Regime verbrochen hat,
von der verfassungswidrigen Auf
lösung des Parlaments und
der Aufhebung der demokratischen
Verfassung angefangen bis
zur Kanonade gegen die Arbeiter
häuser und Hinrichtung der
Arbeiterführer und Arbeiter.
Die Zeitschrift „Die
Fackel“ vom Juli 1934 ist eine ein
zige Hymne auf die
vermeintlichen Verdienste der österrei
chischen Regierungskreise
und der österreichischen Generali
tät und eine ununterbrochene
Kette von Verunglimpfungen
der Arbeiter und der politischen Arbeiterbewegung.
Dieser Standpunkt des Privatklägers ist
in absolutem Widerspruche zu
alldem, das der Privatkläger
Jahrzehnte hindurch
verkündet und geschrieben hat. Allgemein
bekannt ist der vom Privatkläger geführte übermenschliche
literarische Kampf gegen das
alte Oesterreich, insbesondere
in Kriegszeiten und sein
Werk „Die letzten Tage der Menschheit“
ist unbestritten eines der hervorragendsten Werke
über den Krieg der
Weltliteratur überhaupt. Insbesondere hat
der Pr.Kl. in diesem seinem hervorragenden Werke Oesterreich,
die in Oesterreich herrschenden Kreise, den österreichischen
Monarchismus, den
österreichischen Militarismus und die
österreichische Justiz
seiner Kritik unterworfen. Auch in
einer unendlichen Reihe von
Artikeln und Gedichten, die er
in vielen Jahrgängen seiner Zeitschrift veröffentlicht hat,
war der Privatkläger ein Kämpfer gegen Oesterreich und alle
seine Gebrechen. Es ist daher höchst auffallend, dass der
Pr.Kl. zum Bewunderer des heutigen österreichischen
Regimes
und aller von ihm
verübten Greuel geworden ist, zumal es
feststeht, dass dieses
Regime nicht nur auf einer die Ge
walttätigkeiten der
österreichischen Monarchie übersteigen
den Gewalt aufgebaut ist,
sondern dass dieses Regime als
Hauptziel die Restauration
eben dieser vom Pr.Kl. unzähligemale
mit Recht verfluchten
Monarchie anstrebt.
Am 15. Juli 1927 gab es
bekanntlich in Wien Unruhen und die
Polizei hat die
Demonstranten beschossen. Damals war der
Privatkläger der glühendste Kämpfer gegen den damaligen Polizeipräsidenten
Schober und den damaligen Kanzler
Seipl.
Der Privatkläger liess ein Plakat anbringen, mit welchem der
Polizeipräsident Schober zum Rücktritt aufgefordert wurde.
Den Ereignissen vom Juli
1927 widmete der Pr.Kl. eine gan
ze Reihe von Heften seiner
Zeitschrift, insbesondere die
Nummer 766 bis 770 „Der Hort der Republik“ vom Oktober 1927
Nr. 771
bis 776 vom Dezember 1927 „Mein Abenteuer mit Schober“
Nr.
777 Jänner 1928 „das Ereignis des Schweigens“ und Nr.778 bis 780 Mai 1928
„Blut und Schmutz oder Schober entlarvtBekessy“. Ueberdies hat der Privatkläger ein ganzes Drama
mit 4 Akten gegen Schober verfasst betitelt „die Unüberwindlichen“. In allen
diesen Schriften und in vielen anderen noch
hat der Privatkläger
Schober und
Seipl, die Polizei, Regierung
und die herrschende
Christlich-soziale Partei in überaus
scharfer Weise angegriffen.
Insbesondere war der Privatkläger
ein eifriger Gegner der
Heimwehr und des Heimwehrführers
Starhemberg. In der Zeit vom Jahre 1927 bis 1932 hat der Pr.Kl.
den Sozialdemokraten
ununterbrochen vorgeworfen, ihr Kampf
gegen Schober und die Christlich-Sozialen sei jetzt und früher
nicht genügend energisch
gewesen. Es existiert eine gewaltige
Menge von Artikeln und
Gedichten des Privatklägers, in
welchen diese Kritik der
Sozialdemokratie als zu massvoller
Partei zum Ausdrucke
gebracht wurde.
Nach den Ereignissen vom
Feber 1934 ist der Privatkläger trotz
dem, was hier angeführt wurde, zu einem eifri
gen Verteidiger des jetzigen
Regimes geworden, wiewohl die
Ereignisse vom Feber 1934 weitaus schrecklicher waren, als
die vom Juli 1927 und
trotzdem, dass nach dem Feber 1934 ein
gesetzte resp. sich
entwickelnde Regime vom Standpunkte der
vom Pr.Kl. verfochtenen Ideale im Vergleiche zum Jahre 1927
wesentlich ärger ist,
als die Regierung Seipls aus dem
Jahre 1927 und die
Schoberherrschaft aus dem Jahre 1929.
Beweis: Die Fackelhefte 766 bis 770, 771 bis 776, 777,
778bis 780,
Die Dramen „Die letzten Tage der
Menschheit“,
„Die Unüberwindlichen“, die
Gedichtsammlung „Zeitstrophen“
einerseits, andererseits die FACKEL Nr. 890 bis 905.
Prag, am 27. November 1934.
Dr. Emil
Strauss
gez. Dr. Schwelb.