Sehr geehrter Herr Doktor.
Ich berufe mich auf unsere
heutige
telefonische
Unterredung und gestatte mir folgendes mitzuteilen:
Die Klage gegen den ‚Sozialdemokrat‘ habe
ich Ihnen in deutscher
Uebersetzung mit meinem Briefe vom 21.8.d.J. eingesendet,
dem auch die Klagsentwürfe in der Angelegenheit
„Gegen-Angriff“ und zwar sowohl die Widerrufsklage als auch die
Ehrenbeleidigungsklage
beigeschlossen waren.
Sie haben mir diese
Klagsentwürfe, mit einigen Korrekturen versehen,
im Briefe vom 23.8. d.J. zurückgeschickt und empfohlen,
sie HerrnKraus noch vor
Einbringung der Klagen vorzulegen. Dies ist im
rekommandierten Brief vom 24.8. d.J., den ich nach Vrchotovy-Janovice
sandte, geschehen und die
Klage wurde erst nach der Rücksprache mit
Herrn Kraus
überreicht, der gegen die Fassung jener
Stelle, in welcher der
inkriminierte Satz „wilde und zugleich läppische
Ausfälle gegen
den
Marxismus und die Sozialdemokratie“ behandelt wird, keine Be
denken geäussert
hat.
Ich glaube nicht, dass es
überhaupt zur
Uebersetzung
der vom Gegner als Beweis angebotenen Schriften
des
Herrn Kraus kommen wird. Dr.
Schwelb wird es wohl vermeiden, für die
Uebersetzung, die ja
überhaupt kein Dolmetsch vornehmen könnte, Geld
auszugeben, da er sich
bewusst zu sein scheint, dass der Sozialdemokrat
wenigstens in einigen
Klagspunkten sachfällig wird. Wenn HerrKraus glaubt, dass
man Ausfälle gegen den Marxismus und die
Sozialdemokratie zugeben
muss, so kann dies in einer Form ge
schehen, die irgendwelche
Nachteile in der Kostenfrage aus
schliesst.
Ich hatte den Eindruck, dass
es sich in den
letzten
Fackelheften – abgesehen von der Stelle, in welcher der
Vergleich zwischen der
Konzeption des Kommunismus und der der
Sozialdemokratie zu
Ungunsten der letzteren gezogen wird – aus
schliesslich um eine Kritik
der Führung der sozialdemokratischen
Parteien Oesterreichs und Deutschlands
handelt und dass die
Angriffe
daher nicht gegen den Marxismus und die Sozialdemokratie
als solche gerichtet sind ,
sondern gegen die Führer der sozial
demokratischen Partei. Im
Uebrigen kann es ja einem Autor nicht
verwehrt werden, auch die
politischen Ideen des Marxismus und der
Sozialdemokratie einer
Kritik zu unterziehen und es bleibt dann
immer noch die Frage, ob man
den Kritiker durch die Behauptung,
diese Kritik beinhalte wilde
und läppische Ausfälle, nicht belei
digt hat.
Es wird leider nicht möglich
sein, dass ich nach
Wien
fahre, so gerne ich auch bei der Perichole-Vorlesung sein
und Herrn Kraus die Mühen einer Reise nach Prag ersparen möchte.
Ich habe gerade jetzt eine
Reihe von aktuellen Angelegenheiten
in der Kanzlei zu erledigen
und kann, da ich seit einiger Zeit
ohne Konzipienten arbeite,
unmöglich wegfahren. Wenn es HerrnKraus nicht zu sehr
anstrengt, nur wegen der Besprechung dieser
Angelegenheit
hereinzukommen, dann werde ich ihn gerne hier
begrüssen. Andernfalls
glaube ich jedoch, dass sich die Art, wie
man die von Herrn Kraus gewünschte Abänderung des betreffenden
Passus der Anklageschrift
vornehmen soll, auch schriftlich ver
einbaren könnte.
Dies wollte ich Ihnen noch
vor Einlangen
der von Ihnen
avisierten Briefe mitteilen und Herrn Kraus
zur
Kenntnis bringen.
Mit dem Ausdrucke
vorzüglicher Hochachtung
ergebener:
Dr. Turnovsky