Sehr geehrter Herr Doktor.
Ich bestätige mit bestem
Dank den
Empfang Ihres frdl.
Schreibens vom 14. d.M., sowie der beige
schlossenen Klagsentwürfe.
Der Ausdruck „Lächerlichmachung“
kommt im Gesetzestexte vor
und bildet den allgemeinen Tat
bestand der Beleidigung. Der
spezielle Tatbestand der Nach
rede ist durch die Worte
„verächtlich machen“ oder „herabsetzen“
ausgedrückt. Man kann also
ohne weiteres „lächerlich machen“
durch „verächtlich machen“
ersetzen.
Was nun die Ueberreichung
der Klagen
anbelangt, kann
man ja die Klage gegen Dr. Emil
Strauss, welche
erst am 30.I.1936 subjektiv
verjährt, bis zur Entscheidung
über den Delegierungsantrag zurückhalten. Die Klage gegen Dr.Schwelb
wäre jedoch, wie ich glaube, gleich zu überreichen.
Selbst für den Fall, dass
dem Delegierungsantrage stattge
geben werden sollte, hätte
ich Bedenken gegen die Zurückzie
hung der Klage. Abgesehen
von den Kosten, deren Ersatz HerrnK. im Falle der Zurückziehung der Klage auferlegt werden würde,
muss wohl in diesem Falle
mit der Unannehmlichkeit gerechnet
werden, dass der Sozialdemokrat die Klagsrücknahme als
Triumph
darstellen und
neue Unverschämtheiten veröffentlichen wird.
Ich rechne zwar nicht mit
der Delegierung, trotzdem
habe ich mich über den Leitmeritzer-Pressesenat erkundigt und
erfahren, dass der dortige
Vorsitzende, Vicepräsident Hrnčíř, ein
besonders gewissenhafter und
objektiver Richter ist. Es ist auch
gar nicht gesagt, dass das
delegierte Gericht den Beweisbeschluss
des Prager-Pressesenates übernehmen muss und daher auch
nicht
ausgeschlossen,
dass es den Beweisantrag der Gegenpartei in
sei
nem
absurden Umfange abweisen wird. Deswegen glaube ich, dass
man auch im Falle der
Delegierung des Leitmeritzer-Gerichtes
den Prozess doch fortsetzen
sollte. Allerdings müsste man vorher
versuchen, durch die
Beschwerde an das Oberste Gericht die
Abän
derung
des evtl. Delegierungsbeschlusses und die Abweisung des
Delegierungsantrages zu
erwirken.
Indem ich bitte, vorläufig
diese Mitteilungen zur
Kenntnis zu nehmen, zeichne ich mit den besten Grüssen an HerrnK. und Sie und in
vorzüglichster Hochachtung
Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky
P.S.
Ich habe heute beim Obergerichte interveniert, um mit dem Re
ferenten über die
Angelegenheit sprechen zu können. Beim Obergericht
ist es allerdings streng untersagt, die Referenten je
ner Rechtsangelegenheiten,
die in nicht öffentlicher Sitzung
verhandelt werden, zu
verraten. Deswegen konnte ich nicht in
Erfahrung bringen, welcher
von den 5 Mitgliedern des Strafsenates das Referat
in der Angelegenheit SOZIALDEMOKRAT hat.
Wiewohl auch dies untersagt
ist, habe ich trotzdem beim Vor
sitzenden des Senates vorgesprochen und ihm den
Fall klarge
stellt.
Er war zuerst einigermassen
ungehalten darüber,
dass ich
ihn in der Angelegenheit aufsuche und hat auch auf das
Verbot der Intervention
hingewiesen, mich aber doch angehört und
ich habe den Eindruck, dass
er begriffen hat, wie absurd der Be
weisantrag ist und dass es
dem Gesetze nicht entsprechen würde,
wenn man die Durchführung
der beantragten Beweise durch die
Delegierung eines deutschsprachigen Gerichtes ermöglichen
sollte.
Der Vorsitzende hat sich zwar zu der Sache selbst nicht
geäussert,
aber ersucht,
ich möge niemandem etwas davon sagen, dass er meine
Intervention zugelassen hat,
da der Präsident des Obergerichtes
die strikte Einhaltung des
Interventionsverbotes angeordnet hat.
Sollte es also vielleicht
irgendeinmal zu einer Erörterung die
ses Prozesses in der FACKEL kommen, dann dürfte wohl von
dieser
Intervention
nichts erwähnt werden. Ich werde voraussichtlich
Uebermorgen erfahren, wie
der Senat entschieden hat.
Mit vorzüglichster
Hochachtung:
Dr. Turnovsky