Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich habe die Einvernahmsprotokolle der
Zeugenaussagen Heinrich Fischer, Dr. Franzel und Dr. Brügel ge
lesen und in Abschrift genommen und sende Ihnen eine Uebersetzung
ein, die ich möglichst wörtlich gehalten habe. Herr Fischer teil
te mir mit, dass der Richter von ihm nichts anderes hören wollte,
als die Antwort auf die an ihn gestellten Fragen, die er so aus
führlich gegeben hat, als es möglich war.


Die Aussage des Dr. Franzel ist infam genug,
die des Dr. Brügel jedoch eine unerhörte Frechheit.


Ich nehme an, dass nunmehr die Hauptverhand
lung in kurzer Zeit stattfinden wird und ich glaube, dass es
gut wäre, schriftliche Beweisanträge zu stellen, und Beweise anzubieten, durch die die
Behauptungen der Zeugen Franzel und Dr. Brügel widerlegt werden
sollen. Diesen Weg schlage ich deshalb vor, weil ich mich über
zeugt habe, dass trotz grösster Energie eine genaue Protokollie
rung der mündlich vorgebrachten Anträge nicht zu erzielen ist
und ich doch gerne eine Aeusserung zu den Aussagen der beiden
gegnerischen Zeugen in den Akten haben möchte. Es ist sicher
unzulässig, von Zeugen Meinungsäusserungen abgeben und proto
kollieren zu lassen, anstatt sie über Tatsachen zu befragen.
Ob sich jemand gleichgeschaltet hat, darüber kann man ein Urteil
abgeben, dies jedoch nicht als Tatsache bestätigen. Die Zeugen
hätten also nur befragt werden dürfen, in welcher mündlichen
oder schriftlichen Aeusserung Herr K. Lassalle für etwas Geringeres er
klärt hat als einen Zuchthäusler oder – und das wäre schon sehr
weit gegangen – aus welcher Aeusserung des Privatklägers der Zeu
ge schliessen kann, dass sich Herr K. gleichgeschaltet hat.
„Gleichschaltung“ ist ja überhaupt nur ein Begriff und noch
dazu ein sehr unklarer und keine Tatsache, über die allein Zeu
gen aussagen können. Man wird also gegen diese Art der Einver
nahme auch Einspruch erheben müssen. Es wäre natürlich das Beste,
wenn Herr K. selbst aussagen könnte, nur ist es mit der Sprache
so schwer. Ein Dolmetsch wird kaum die Worte des Herrn K. getreu
übersetzen können und die Richter werden sie leider voraussicht
lich, überhaupt nicht verstehen. Ob man wird durchsetzen können,
dass Herr K. in Wien einvernommen wird, weiss ich nicht; ich
würde jedenfalls, wenn er dies möchte, mit dem Vorsitzenden und
Referenten darüber sprechen. Damit aber genügend Zeit bleibt,
die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, bitte ich, mir
möglichst bald bekanntzugeben, was Herr K. und Sie zu unterneh-
men gedenken, insbesondere ob Sie es auch für richtig halten,
eine schriftliche Aeusserung abzugeben und in dieser Beweisan
träge zu stellen.


Indem ich bitte, Herrn K. meine besten Grüsse
zu bestellen und Sie selbst herzlichst grüsse, bin ich


in vorzüglichster Hochachtung
Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky


1 Beilage.


P.S.


Ich bemerke noch, dass mich Herr Fischer gefragt hat, ob er
Direktor Frankl von der URANIA mitteilen soll, dass er mich
als Anwalt des Herrn K., von der Vergleichsanregung durch
Frankl unterrichtet hat. Ich sagte ihm, er möge, wenn sie darauf
zu sprechen kommen, antworten, dass er mir davon gesagt habe,
dass ich ihm jedoch erwidert hätte, ich könne derlei private
Anregungen nicht zur Kenntnis nehmen und an meinen Mandanten
weiterleiten, da sich daraus Komplikationen ergeben könnten,
die ich vermeiden will.


Dr. T


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