Die Fackel als fascistische Hetzschrift?Die FackelKarl Kraus – sechzig Jahre [Der Sozialdemokrat]


Uebersetzung


der Einvernahmsprotokolle in der Angelegenheit KrausSozialdemokrat / Dr. Strauss /.


Dr. Emil Franzel : „Es ist richtig, dass ich den Artikel zum60. Geburtstag des Privatklägers am 28.IV.1934 geschrieben habe.
Als ich diesen Artikel verfasste, war mir der Inhalt des Artikels
Hüben und Drüben“ vom Oktober 1932 bekannt, in welchem Kraus
insbesondere den Umstand kritisierte, dass die Sozialdemokraten
im Kampfe gegen die Reaktion nicht genügend radikal und Kompro
missen zugänglich waren. Es war mir jedoch nicht bekannt und
konnte mir nicht bekannt sein, was der Kläger über die Feber
Ereignisse im Jahre 1934 schreiben wird und dass aus dem ehe
maligen Kritiker der sozialdemokratischen Partei, vom Standpunkte
der Linksgerichteten, ein eifriger / wörtlich eigentlich zäher /
Gegner der Sozialdemokratischen Partei vom Standpunkte der Rechts
parteien und ein Fürsprecher des heutigen österreichischen Regimes
werden wird. Ein so gerichteter Artikel ist zum erstenmal im
August 1934 veröffentlicht worden. Ich habe zwar in früheren
Jahren mit dem Kläger verkehrt, jedoch seit Dezember 1933 habe
ich mit ihm nicht gesprochen. Nach den Feberereignissen habe
ich erfahren, dass Kraus mit meiner Einstellung zu den österrei
chischen Ereignissen nicht übereinstimmt und wurde von seiner
neuen Stellungnahme in politischen Dingen durch Prof. Jaray, Dr.
Erich Heller und Heinrich Fischer informiert.


Dass Kraus ein positiver Anhänger des österrei
chischen Regimes ist, wurde mir jedoch nicht mitgeteilt. Es ist
1 mir auch bekannt, dass der Angeklagte von diesen privat geäusser
ten Ansichten nichts wusste. Von den wirklichen Ansichten
von Karl Kraus habe ich zum erstenmal Ende Juli 1934 Kenntnis
erlangt.


Heinrich Fischer: „Ich kann bestätigen, dass der Privatkläger führende Mitglieder des Blattes des Angeklagten über
seine die Sozialdemokratie betreffenden Ansichten schon im
Jahre 1930 im Artikel „Weg damit“, im Jahre 1932 im Arti
kel „Hüben und Drüben“ in Kenntnis gesetzt hat, was schon
eine grosse Polemik gegen die sozialdemokratischen Führer
war.


Im Juli 1934 haben die Sozialdemokraten
die Ansichten des Klägers bereits gekannt und konnten daher
nicht provoziert worden sein. / Gemeint ist jedenfalls durch
das Fackelheft aus dem Juli 1934 / Ob die Ansichten des Klägers über die Sozialdemokratie dem Angeklagten aus persön
lichen Rücksprachen bekannt waren, weiss ich nicht, aber
sie waren sicherlich aus dem Artikel „Hüben und Drüben
bekannt.“


Dr. Johann Brügel: „Ich bestätige den Inhalt der Eingabe
Bl.Zl. 20 und folgende. Ich kann sagen, dass sich der Privatkläger den Verhältnissen in Oesterreich gleichgeschaltet hat,
weil er immer ein fanatischer Gegner des österreichischen
Monarchismus war. Nach dem Umsturz im Jahre 1934 hat er
sich den bestehenden Verhältnissen gleichgeschaltet und ist
eifrig insbesondere in seiner Zeitschrift für die Rück
erstattung des Vermögens an die Habsburger eingetreten, wel
ches nach dem Umsturze konfisziert war und den Kriegsbeschädigten
und Kindern übergeben worden ist. Dieser Artikel erschien
im August 1935. Er hat sogar das tschechoslovakische Aussen
ministerium und zwar in Nummer 909 bis 911 Seite 59 seines
Blattes angegriffen und dies aus dem Grunde, weil dieses
Ministerium mit einem Wiener-Tagesblatte in Verbindung sein
soll, welches die Rede eines Heimwehrführers nicht mit
einer solchen Ausführlichkeit veröffentlicht hat; wie es der
Privatkläger gewünscht hätte. Er hat hiebei die Ansicht ausge
sprochen, dass die tschechoslovakische Politik noch die Politik
der englischen Labour Party überragt, die er als beispiellose
Dummheit charakterisiert.


Ich kann auf Grund des Studiums der Schriften
des Klägers bestätigen, dass sich seine Ansichten über die öster
reichischen Verhältnisse, den Sozialismus und überhaupt die
gesamte Weltanschauung von der Zeit der österreichischen Feber
ereignisse im Jahre 1934 an diametral geändert haben.“


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