Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich danke Ihnen bestens für Ihren frdl.
Brief vom 5. d.M. und freue mich, von Ihnen, sehr geehrter HerrDoktor, meine Rechtsansicht bestätigt zu wissen.


Die Einwendung der Verteidigung gemäss
§ 18 des Ehrenschutzgesetzes wird in dem Schriftsatze des Dr.Schwelb nur angekündigt, wobei auch noch ein neuer Beweisantrag
– allerdings nur in eventum – gestellt wird. Ich glaube, dass es
richtig ist, dass der Richter die Hauptverhandlung abhält und
erst, nachdem bei dieser die Einwendung vorgebracht werden wird,
3das Verfahren einstellt. Einen Triumpf könnte das für den Angexklagten nicht bedeuten, da er ja nicht deswegen freigesprochen
wird, weil ihm der Wahrheitsbeweis gelungen ist oder weil das
Gericht die inkriminierten Aeusserungen nicht für beleidigend
hält, sondern lediglich aus formellen Gründen. Trotzdem wird
sicherlich ein Prozessbericht erscheinen, in welchem sich der
Sozialdemokrat“ des Freispruches rühmen dürfte. Wenn Dr. Schwelb
diesen Bericht kontrollieren oder gar verfassen wird, dann wird
er sich wohl hüten, uns die Möglichkeit einer Berichtigung zu
geben.


Was nun die Frage betrifft, ob der § 18des Ehrenschutzgesetzes auch auf solche Fälle angewendet werden
darf, in welchen es sich um eine Anklage gemäss § 4 der Press- gesetznovelle handelt, muss darauf hingewiesen werden, dass das
Ehrenschutzgesetz im § 24 auch auf Uebertretungen der Vernach
lässigung der pflichtmässigen Sorgfalt, allerdings nur in den
Bestimmungen über das Verfahren, hinweist. Ich glaube jedoch,
dass Ihre Ansicht, dass bezüglich dieser Uebertretung die Spe
zialbestimmung des § 18 nicht zu gelten hat, und dass daher das
Verfahren bezüglich dieser Uebertretung nicht eingestellt werden
kann, durchaus richtig ist.


Wenn ich darauf bei der Hauptverhand
lung hinweisen werde, kann doch wohl der Angeklagte seine Ver
teidigung und Verantwortung nicht ändern.


Der § 57 St.P.O. gilt heute noch.


Ich glaube, dass die durch Herrn Fischer
mitgeteilte Unterredung mit Direktor Frankl noch vor dem 27.I.
1936 stattgefunden hat / Herr Fischer hat mich über diese Unter
redung am 4.II. d.J. informiert /. Die Anregung zum Vergleiche
5dürfte daher doch vor dem 27.I. stattgefunden haben.


Ich werde Ihnen jedenfalls über die
Hauptverhandlung sofort berichten und Sie über den weiteren Ver
lauf der Sache auf dem Laufenden halten.


Mit den besten Grüssen,
Ihr sehr ergebener:
Dr. Turnovsky


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