Sehr geehrter Herr Doktor!


Ich erhielt Ihren frdl. Brief von 30. d.Vm.
in Angelegenheit „Berichtigung Soz.Dem.“ Ich werde wohl Gele
genheit haben, diese Angelegenheit mit Herrn K. heute zu bespre
chen, da er sich telegrafisch zu einem kurzen Aufenthalte in
Prag avisiert hat. Trotzdem möchte ich Ihnen meine Ansicht über
die Rechtslage auch noch bekanntgeben.


Die Bedeutung des § 13 Z. 3 der Pressgesetznovelle ist durch die Kommentare nicht genügend klargestellt. Man
sollte aus dieser Bestimmung, wie Sie in Ihrem Schreiben bemerken,
schliessen können, dass es möglich ist, eine bereits eingesendete
Berichtigung zurückzunehmen und die Veröffentlichung einer abge
änderten Berichtigung zu begehren. Mir ist nur die Praxis des Re
kurssenates in Berichtigungsangelegenheiten bekannt; oberstgericht
liche Entscheidungen liegen nicht vor. In einem Falle wurde wegen
Verweigerung der Veröffentlichung der eingesendeten nicht ganz
korrekten Pressberichtigung das Verfahren nach § 14 eingeleitet
und das Gericht hat zu Recht erkannt, dass der verantwort. Redak
teur nicht verpflichtet ist, die dem § 11 Absatz 1, zweiter Satz,
nicht entsprechende Berichtigung zu veröffentlichen. Nach dieser
Entscheidung hat der Berichtigende dem Blatt in der noch offenen
Frist eine zweite dem § 11 angepasste Berichtigung eingesendet,
deren Veröffentlichung abermals verweigert wurde. Im Verfahren
nach § 14 hat das Gericht zu Recht erkannt, dass der verant. Redak
teur nicht verpflichtet ist, die zweite Berichtigung zu veröffent
lichen, wiewohl sie dem Gesetze entspricht und diese Entscheidung
damit begründet, man könne dem verantwortlichen Redakteur nicht
zumuten, die Berichtigung einer Nachricht zweimal zu prüfen resp.
von dem Rechtsanwalte prüfen zu lassen, es handle sich, trotzdem
die erste Berichtigung dem Gesetze nicht entsprochen hat, während
die zweite einwandfrei war, doch um bis in idem und man müsse daher
annehmen, dass dem verantwortlichen Redakteur die Veröffentlichung
dieser abgeänderten Berichtigung nicht auferlegt werden dürfe.
Diese Entscheidung hat der Rekurssenat bestätigt.


Ein Fall, wie der unsrige, ist dermalen anhängig, aber
noch nicht entschieden.


Das Gericht scheint aus dem Wortlaut des § 11 und aus
dem insbesondere in diesem Paragrafen verwendeten Singular trotz
der Bestimmung des § 13 Z. 3 zu schliessen, dass veröffentlichte
Nachrichten von dem Betreffenden nur einmal berichtigt werden
dürfen.


Deswegen hatte ich Bedenken, dem „Soz.Dem.“ eine zwei
te abgeänderte Berichtigung einzusenden, umsomehr, als ich mit
Bestimmtheit annehmen zu dürfen glaube, dass der verantw. Redakteur
ohne Verfahren nach § 14 die Berichtigung selbst dann nicht ge
bracht hätte, wenn sie dem § 11 voll entsprechen würde.


Vielleicht wird es möglich sein, das Judikat in die-
ser zweiten oberwähnten Angelegenheit abzuwarten und dann
erst die abgeänderte Berichtigung einzusenden. Sollte es dahin
lauten, dass man die Veröffentlichung der Berichtigung einer
Nachricht, im Falle Ablehnung der Veröffentlichung der ersten
durch eine zweite abgeänderte verlangen darf, dann kann man
ja immerhin die Einsendung der abgeänderten Berichtigung riskie
ren.


Ich erbitte die Bekanntgabe Ihrer Ansicht über
den hier reproduzierten Stand der Judikatur und zeichne
mit besten Grüssen Ihr hochachtungsvoll


ergebener
Dr. Turnovsky


KrausSozialdemokrat
5. MAI 1936