Karl Kraus verliert einen Prozeß


Sehr geehrter Herr Kollege!


Ich bestätige mit bestem Dank auch von
seiten des Herrn K. den Empfang Ihres freundlichen Schreibens vom13. Mai 1936. Die Unterfertigung des Telegramms habe ich aus Er
sparungsgründen unterlassen. Ich kann mich nicht erinnern, dass
Sie bei mir angefragt hätten, ob die Klage gegen Dr. Schwelb ein
gebracht werden soll. Damit wäre Herr K. auf jeden Fall einverstan
den. Bisher waren wir der Meinung, dass nur eine Klage gegen den
Sozialdemokrat‘ in Frage kommt. Allerdings wissen wir nicht,
welchen Bericht Sie zum Gegenstand der Anklage machen können und
wollen. Besonders günstig wäre es, wenn Sie auch den ersten Bericht für anklagbar halten. Herr K. ist jedoch der Meinung, dass
die Stelle mit den Arbeitern im ‚Sozialdemokrat‘ vielleicht weniger
Aussicht auf Erfolg gegen Dr. Schwelb bieten wird, weil es sich
wahrscheinlich um eine redaktionelle Veränderung handelt und Herr
Dr. Schwelb nur den gleichen Bericht erstattet haben dürfte, der
offiziell ausgesendet wurde.


Den Brief an das ‚Prager Tagblatt‘ samt
der Erklärung bitten wir Sie mit den nachträglichen Ausbesserungen
abzusenden. Man kann es sich ja noch immer überlegen, ob man die
Ehrenbeleidigungsklage wirklich einbringen soll. Jedenfalls wird
der Brief mit der Drohung eine starke Wirkung haben, als wenn nur
ein Ersuchen an das Blatt gerichtet würde, den Artikel zu ver
öffentlichen.


Den Abdruck Ihres Artikels werde ich Ihnen
unverzüglich einsenden, wenn ich ihn erhalte.


Indem ich Ihnen die besten Grüsse des HerrnK. übermittle und Sie auch selbst herzlichst grüsse, zeichne ich
mit vorzüglicher kollegialer Hochachtung


Ihr ergebener


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