Sehr geehrter Herr Kollege!
Erst heute bin ich in der Lage,
Ihren Briefvom
13. Mai 1936, der zum grössten Teil die oben verzeich
nete Angelegenheit
betrifft, zu beantworten. Was vor allem
das Berichtigungsschreiben an den Sozialdemokrat betrifft,
so war ich der Ansicht, dass es
längst abgesendet wurde,
da ich
meinte, Sie warteten nur auf meine Aeusserung über
meine Auffassung bezüglich der
Möglichkeit, eine einmalige
eingesendete Berichtigung zurückzuziehen, zu der ich mich
deshalb nicht weiter geäussert
habe, weil mir zwar die
Auslegung
der tschechischen Gerichte in Bezug auf die in
Betracht kommenden Paragraphen
nicht stichhaltig erscheint,
aber
Sie sich doch offenbar entschlossen haben, gegen diese
Praxis anzukämpfen. Ich bitte Sie
also, die Berichtigung
mit den kleinen Verbesserungen
abzusenden.
Was nun die
Ehrenbeleidigungsklage gegen
Dr. Schwelb und die diversen Blätter betrifft, so
liegt
offenbar durch ein
Missverständnis auf meiner Seite eine
Verwirrung vor. Es würde mich
wirklich sehr interessieren,
ob Sie den Bericht im Sozialdemokrat für klagbar halten,
von dem Herr K. der Meinung ist, dass die Anklage nur gegen
den verantwortlichen Redakteur einzubringen möglich ist,
da Herr Dr. Schwelb wahrscheinlich nicht einen anderen
Bericht an den Sozialdemokrat erstattet haben dürfte als an
das offizielle Pressebüro und die
weiteren Ausführungen eine
Redaktionsmache darstellen. Gegen Dr. Schwelb
könnte man
nach der Meinung des
Herrn K. nur dann vorgehen, dieser
Meinung schliesse ich mich
vollständig an, wenn Sie der
Ansicht sind, dass auch der offizielle Bericht des Pressebüros
anklagbar wäre. Weiters wäre die
Frage zu untersuchen, ob
die Berichtigung des Herrn Dr. Schwelb im Prager Tagblatt
zum Gegenstand einer Anklage
gemacht werden kann. Dies er
scheint mir am ehesten wahrscheinlich, da sämtliche Beleidi
gungen wiederholt
sind.
Was die
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil
betrifft, so lassen die von
Ihnen mitgeteilten Tatsachen
hoffen, dass es den diversen Bemühungen gelingen wird, den
Obersten Gerichtshof zu einer anderen Auslegung des § 18 desEhrenschutzgesetzes zu bringen. Es ist allerdings zu befürch
ten, dass wenn er
in irgend einer der beiden anderen Angelegen
heiten, die jetzt
bei ihm anhängig sind, eine ungünstige
Entscheidung fällt, nicht so
leicht von ihr abgehen wird und
diese Entscheidung für die
anderen Fälle von präjudizieller
Bedeutung sein wird. Ich
gebe Ihnen nun zu bedenken, ob es
möglich ist, die durch die
Gegenausführungen des Herr
Dr. Schwelb eingetretene Verzögerung
vielleicht dadurch
wettzumachen, dass man dem Obersten
Gerichtshof etwa auf dem
Wege über Herrn Dr. Gallia mitteilen lässt, es werde in
den nächsten Tagen ein
weiterer gleichartiger Fall einlangen.
Hoffentlich hält er dadurch
mit der Entscheidung inne und
wartet das Einlangen des Aktes ab. Unterdessen dürfte dann
auch der geplante Artikel erschienen sein. Die Anwaltszeitung
erscheint zweimal im Monat;
die Nummer von Mitte Mai habe ich
noch nicht erhalten, ich
glaube aber nicht, dass bei der
Kürze der Zeit nach dem
Einlangen des Artikels der Druck
schon vorgenommen wurde und es ist wahrscheinlich, dass der
Artikel erst in der nächsten Nummer erscheinen wird. Sofort
nach dem Einlangen werde ich
Ihnen die gewünschten zwei
Exemplare einsenden.
Die von Herrn K. an Herrn Otto Bauer gerichteteZuschrift dürfte
Sie interessieren und ich sende Sie Ihnen
daher ein.
Herrn K. habe ich den Termin der Berufungsverhand
lung (27. Mai
1936) bekanntgegeben.
Indem ich Sie bestens grüsse
und auch die herzlich
sten Grüsse des Herrn K.
übermittle, zeichne ich
mit vorzüglicher kollegialer
Hochachtung
Ihr ergebener
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