Sehr geehrter Herr Doktor.
Ich erhielt Ihr frdl. Schreiben vom23. d.M. samt Entwurf der Ehrenbeleidigungsklage gegen Dr. Schwelb
und Dr. Strauss
nebst den von Herrn K. gewünschten
Abänderungen.
Ich
retourniere Ihnen den Entwurf und werde die Klage nunmehr über
reichen. Die Beweisanträge
möchte ich jedoch insoferne abändern,
als ich zu Punkt II nicht
die FACKEL vom Juli 1934, sondern nur
die einschlägigen Stellen
beantragen möchte. Ich befürchte, dass
das Gericht verlangen könnte, man möge die ganze Juli-Fackel in
beglaubigter Uebersetzung vorlegen, was ja natürlich ausge
schlossen ist.
Die Beschwerde an das Oberste Gericht
ist bereits abgegangen und
dürfte heute in Brünn eingelangt sein.
Herr Dr. Gallia ist hievon bereits verständigt worden und wird
in
tervenieren. Die Begründung der Aeusserung gegen die Beschwerde
in der Angelegenheit Dr. Meissner
Dr.
Sommer ist ganz ausgezeichnet
und wir haben unsere
Schriftsätze verglichen, Dr. Meissner hat sei
nen Schriftsatz
noch ergänzt, sodass selbst wenn seine Angelegen
heit früher zur Entscheidung
gelangen sollte als unsere, diesbezüg
lich nichts zu befürchten
ist.
Die Möglichkeit der Anklage
wegen des durch das
Pressbüro veröffentlichten Prozessberichtes
und zwar der Anklage
gegen
das Pressbüro oder gegen Dr. Schwelb als Informator habe ich
nach allen Richtungen
erwogen. Wenn man sich überlegt, wie schwer
es war, auch nur die
Berichtigung dieses Berichtes zu
verfassen,
dann wird man
ermessen, um wieviel schwerer es ist, wegen dieses
Berichtes die Ehrenbeleidigungsklage mit Aussicht auf Erfolg
zu
konzipieren. Ich
möchte noch nicht dazu raten, in dieser Ange
legenheit die Presseklage zu
überreichen, da es mir sehr unwahr
scheinlich erscheint, dass
wir mit dieser Klage durchdringen, ob
wir nun Dr. Schwelb als Informator oder das Pressbüro als Verbrei
ter der Nachricht belangen.
Die formelle Wahrheit der Nachricht
kann kaum bestritten werden
und es würde den Angeklagten nicht
schwer fallen, den formellen
Wahrheitsbeweis zu erbringen, trotzdem
es materiell unrichtig ist,
dass der Freispruch wegen des erbrach
ten Wahrheitsbeweises
erfolgt ist. Dies wird jedoch, wenn auch
dieser Anschein erweckt
werden soll, in dem vom Pressbüro weiter
gegebenen
Prozessberichte expressis verbis nicht behauptet.
Das Risiko erscheint mir zu
gross, weswegen ich abermals empfehle,
diesen Bericht nicht zum Gegenstand einer
Strafverfolgung zu machen.
In der
Berichtigungsangelegenheit SOZIALDEMOKRAT
/ zweite Berichtigung mit Widerruf der ersten / werde ich wohl die
Weisung des Herrn K. betreffend die Ueberreichung des Antrages nach
§ 14 des
Pressgesetzes bald erhalten.
Mit dem Ausdrucke der
vorzüglichsten Hochachtung
und mit besten Grüssen an Herrn K. und Sie,
ergebener:
Dr. Turnovsky