Karl Kraus verliert einen Prozeß


Sehr geehrter Herr Kollege!


Mit dem besten Dank bestätige ich den
Empfang ihres freundlichen Schreibens vom 28. Dezember 1936.
So leid es mir tut, dass Sie jetzt wieder neue Arbeit mit der
Sache haben, so freue ich mich doch, dass durch die Eingabe
des Herrn Dr. Schwelb auch der Disziplinarrat oder die Rechtsanwaltskammer sich mit der Sache befassen muss. Wenn ich mir
einen Rat erlauben darf, so würde ich Ihnen vorschlagen, schon
bei der Rechtsanwaltskammer die Unrichtigkeit der Berichter
stattung darzutun und eine Aeusserung des Herrn Dr. Schwelb
zu provozieren, dass sein Bericht im ‚Sozialdemokrat‘ mit dem
veröffentlichten Bericht nicht übereinstimmt. Denn die Ver
antwortung des Herrn Dr. Schwelb kann ja, wenn sie zu seinem
Freispruch führen sollte, nur dahingehen, dass er einen rich
tigen Bericht erstattet und die Zeitung ihn abgeändert hat.
Würde Herr Dr. Schwelb sich in dieser Weise verantworten, so
wäre die Verurteilung der Zeitung sicher, da ja schon daraus
die Beleidigungsabsicht hervorgeht. Sollte sich aber Herr Dr.Schwelb dazu bekennen, den unrichtigen Bericht an die Zeitung
erstattet zu haben, so wäre er meines Erachtens zweifellos
disziplinär zu behandeln.


Indem ich Ihre Neujahrswünsche und
Grüsse auf das Herzlichste erwidere, zeichne ich mit dem
Ausdruck vorzüglicher kollegialer Hochachtung


als Ihr ergebener


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