Sehr geehrter Herr Doktor!
Ich bestätige dankend den
Empfang Ihres
freundlichen
Schreibens vom 20. September l.J. und bedaure leb
haft, dass die
von Ihnen geplante Reise in die Tschechoslovakei
unterbleiben muss. Ich hoffe
zuversichtlich, dass es sich nur um
einen Aufschub dieser Reise
handelt und dass ich Sie bald werde
hier begrüssen können.
Um die Angelegenheit Sozialdemokrat endgültig aus der
Welt zu schaffen, habe ich
trotz dem sehr gespannten Verhältnisse,
welches zwischen Dr. Schwelb und mir herrscht, mit diesem wegen
des
Vergleiches und der
Stipulierung der von der Gegenpartei
abzugeben
den
protokollarischen Erklärung verhandelt.
Heute erhielt ich die Aeusserung
des Herrn Dr. Schwelb,
welcher mitteilt, dass die ihm
bekanntgegebene Erklärung / laut Ihrem
Briefe vom 30.VIII. l.J. / „für seine Mandantschaft nicht
tragbar ist“.
Er
stellt einen Vermittlungsvorschlag dahin lautend, dass die im
Protokoll vom 11.VIII. l.J.
enthaltene Erklärung durch nachstehende
Erklärung ersetzt werde: „Zu dem
in der Zeitschrift ‚Sozialdemokrat‘vom 16. April 1936
veröffentlichten Artikel ‚Karl Kraus
verliert einenProzess‘
erklären wir, dass wir die in dem Artikel enthaltenen Be
hauptungen, soweit sie eine
Beleidigung des Herrn Karl Kraus ent-
halten, widerrufen. Es lag nicht
in unserer Absicht, die Ehre
des
Privatklägers, des Herrn Karl Kraus, anzugreifen. Die Re
daktion“.
Die Erklärung ist wohl
ziemlich allgemein gefasst,
aber das wäre vielleicht gerade mit Rücksicht auf die von Ihnen
beabsichtigte Publikation
kein Hindernis. Die Erklärung enthält
doch einen Widerruf der in
dem Artikel enthaltenen
beleidigenden
Behauptungen.
Wollen Sie mir bitte
mitteilen, ob Sie diese Fassung
der Erklärung annehmbar
finden. Die Hauptverhandlung ist für den
18. d.M. angeordnet.
Mit den Ausdrucke der
vorzüglichsten Hochachtung
und mit den besten Grüssen
Ihr ergebener
Dr. Turnovsky