Die Fackel als fascistische Hetzschrift?


Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich bestätige mit bestem Dank den Empfang
Ihres freundlichen Schreibens vom 5. d.M., zu dessen Inhalt
ich Folgendes bemerken möchte:


Die in dem Schriftsatze des Gegners enthal
tenen Ehrenbeleidigungen bestehen wiederum aus der Be
hauptung von Tatsachen, für welche Dr. Schwelb sicherlich den
Wahrheitsbeweis anbieten wird. Man muss sicherlich damit
rechnen, dass im Zuge des Verfahrens ähnliche Behauptungen
vorgebracht werden, wie im Hauptprozesse und dass sich also
Beweiserhebungen daraus ergeben. Nun glaube ich aber, dass
das Bezirksgericht bei der Entscheidung über den Inhalt und
Umfang des Wahrheitsbeweises sachlicher vorgehen wird, als
der Pressesenat und einer Verschleppungstaktik des Gegners
auch energischeren Widerstand leisten wird.


Was nun die Frage betrifft, ob die Unter
lassung des Vorbehaltes in diesem Falle die Verfolgung aus
schliesst, glaube ich annehmen zu dürfen, dass man wohl die
Vorschrift des § 18, Absatz 1 / letzter Satz / hier zur Anwen
dung bringen muss. Der Fall liegt doch anders, als im Haupt
prozesse und in dem durch den Vergleich vom 27.I.1936 erle
digten Prozesse.


Dort konnte es sicherlich keinem Zweifel unterlie
gen, dass Herr Kraus von dem beim Abschlusse des Vergleiches
von den durch den im Hauptprozesse inkriminierten Artikel er
folgten Beleidigungen Kenntnis hatte.


Wenn also der § 18 auch auf andere als gegenseitige
Klagen Anwendung finden durfte und der Vorbehalt beim Abschlus
se eines Vergleiches gemacht werden müsste, selbst wenn es sich
nicht um die Verfolgung neuer, sondern früherer Delikte handelt,
die bereits verfolgt werden, so könnte man die Anwendbarkeit
des § 18 auf den Hauptprozess wohl eher annehmen, als im Falle
der durch den Inhalt des Schriftsatzes des Dr. Schwelb begange
nen Ehrenbeleidigung. Ich bin wohl zur Vertretung des Herrn
Kraus im Ehrenbeleidigungsprozesse ca. Dr. Schwelb bevollmäch
tigt gewesen, muss aber nicht das Recht haben, Aeusserungen
über meinen Mandanten betreffende Handlungen abzugeben, von
denen dieser überhaupt keine Kenntnis hat.


Ueberdies glaube ich, dass der Richter den Fall in
guter Erinnerung haben und daher wissen wird, dass ich den In
halt des Schriftsatzes tatsächlich bis zur Urteilsfällung nicht
gekannt habe.


Ich teile ganz Ihre Ansicht, dass es unbedingt ver
mieden werden soll, für Herrn K. Prozesse zu führen, die nicht
ganz aussichtsreich scheinen. Von diesem Standpunkte aus müss
te man sich allerdings überlegen, ob man den neuen Prozess gegen
Dr. Schwelb anstrengen soll. Ich habe jedenfalls den Entwurf der
Klage vorbereitet und schliesse ihn hier bei, damit Sie noch
vor der Abreise des Herrn K. mit diesem in der Angelegenheit
sprechen können. Herr Dr. Schwelb hat durch seinen Verteidiger
bei der Urteilsverkündung die Berufung nicht angemeldet.


Ich nehme an, dass Ihre Mitteilung über die
Ankunft des Herrn K. so zu verstehen ist, dass er diesen Mitt
woch oder Donnerstag, d.i. 8. oder 9. d.M. nach Prag kommt.


Ich werde seine Ankunft im Palace-Hotel avi
sieren


Mit dem Ausdrucke vorzüglichster Hochachtung
und besten Grüssen Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky


1 Beilage


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