Sehr geehrter Herr Kollege!
Ich bestätige mit bestem Danke,
auch
von Seiten des Herrn Kraus, den Empfang Ihres freundl.
Briefes vom 2. April 1936. Wenn es Ihnen nicht aus dem
Grunde bedenklich erscheint, die
Ehrenbeleidigungsklage
wegen
des Schriftsatzes einzubringen, dass die Gegenseite eine ähnliche Verschleppungstaktik wie in dem
Hauptprozess versuchen könnte und
wieder ein uferloses
Vorbringen
und Beweiserhebungen sich daraus ergeben,
so möchte Herr Kraus sie wünschen. Wenn Sie aber derar
tige Befürchtungen nicht haben,
so bitte ich Sie, die Kla
ge vorzubereiten. Herr Kraus wird bereits am Mittwoch,
längstens aber am Donnerstag nach
Prag kommen und alles
mit Ihnen mündlich besprechen. Er
bittet Sie, dem HotelPalace seine Ankunft für
einen dieser Tage anzuzeigen,
damit ein passendes Zimmer frei ist.
Bezüglich der auch hier
auftauchenden
Frage, ob ein
Vorbehalt für die Verfolgung notwendig ist,
möchte ich Ihnen das Folgende zu
bedenken geben: Sie
schliessen
diese Notwendigkeit aus, weil der Berechtigte
im Sinne des § 18 Herr Kraus und nicht Sie
sind, und er von
der strafbaren
Handlung erst nach Abschluss des Beweisverfah
rens Kenntnis erlangt hat. Diese
Argumentation erscheint mir
nicht
ganz stichhaltig, denn ich glaube nicht, dass ein Gericht
die Kenntnis des Vertreters des
Privatklägers nicht seiner
eigenen gleichhalten wird. Für kräftiger halte ich die Argu
mentation, dass Sie selbst den
Inhalt der Beweisanträge vor
der
Urteilsfällung nicht gekannt haben. Zu befürchten ist aber,
dass die Protokollierung des
Umstandes, der gegnerische Beweisantrag sei vorgelesen
worden, wenn es auch in Wirklich
keit nicht der Fall war, dem Gerichte einen Anhaltspunkt ge
ben könnte, das Verfolgungsrecht
auszuschliessen. Ich für meine
Person habe es immer so gehalten, dass ich nur ganz aussichts
reiche Sachen für Herrn Kraus wirklich zum Gegenstand einer
Anklage gemacht habe, weil ein
gewonnener Prozess, selbst wenn
er aus formalen Gründen gewonnen wurde, der Gegenseite die
Möglichkeit gibt, einen Wirbel zu machen.
Ich wäre Ihnen auch sehr
verbunden, wenn Sie
mir bei
Gelegenheit mitteilen wollten, ob Herr Dr. Schwelb
gegen das
Urteil Berufung ergriffen hat.
Indem ich Sie herzlichst
grüsse, zeichne ich
mit
vorzüglicher, kollegialer Hochachtung.
Ihr ergebener