Sehr geehrter Herr Doktor!


Ich bestätige mit bestem Dank den Empfang
Ihres frdl. Schreibens von 31.III. d.J. Auch ich habe daran ge
dacht, den Schriftsatz mit den Beweisanträgen zum Gegenstand
einer neuerlichen Anklage gegen Dr. Schwelb zu machen und nur
die Erwägung, ob das zur Verteidigung Vorgebrachte nach dem
Ehrenschutzgesetze verfolgt werden kann, hat mich davon abge
halten, in meinem Berichtschreiben vom 26. d.Vm. diese Frage
aufzuwerfen. In diesem Falle glaube ich allerdings nicht, dass
die Unterlassung des Vorbehaltes bei der Hauptverhandlung das
Erlöschen des Anklagerechtes zur Folge haben könnte. Der Be
rechtigte im Sinne des § 18 ist Herr Kraus und nicht ich und
dass er von der strafbaren Handlung erst nach Abschluss des
Beweisverfahrens Kenntnis erlangt hat, kann um so weniger zwei
felhaft sein, als ich selbst den Inhalt der Beweisanträge vor
der Urteilsfällung nicht gekannt habe. Der Richter hatte den
Schriftsatz gar nicht in den Akten und hat dessen Inhalt nur
aus dem ihm vom Verteidiger zur Verfügung gestellten Durchschlag
zur Kenntnis genommen. Allerdings hat er dann protokolliert, dass
der gegnerische Beweisantrag verlesen worden ist, was aber
in Wirklichkeit nicht der Fall war. Man kann also Herrn Dr.
Schwelb sicherlich wegen des Inhaltes dieses Schriftsatzes be
langen. Es wäre allerdings darüber zu erwägen, ob dies nicht
vorsichtshalber innerhalb der 15tägigen Frist des III. Absatzesdes § 18 / siehe meinen Bericht in Sachen Soz.Dem. / gesche
hen sollte. Diese Frist würde am 1O. d.M. ablaufen.
Ich glaube auch, dass man die Frage, ob sich Herr Dr.
Schwelb durch den Inhalt des Schriftsatzes strafbar gemacht
hat, trotzdem die beleidigenden Behauptungen zu seiner Ver
teidigung angeführt worden sind, in der Weise beantworten
muss, dass derartige Behauptungen auch zur Verteidigung nicht
vorgebracht werden dürfen, insbesondere weil sie zur Exkul
pierung des Angeklagten nicht herangezogen werden konnten,
was diesem wohlbewusst sein musste; sie gehen, wie Sie ganz
richtig sagen, weit über das hinaus, was in diesem Prozesse
überhaupt Gegenstand einer Beweisführung sein könnte.
Ich wiederhole also, dass ich die Verfolgbarkeit
für gegeben erachte und erbitte mir mit Rücksicht auf die
oben erwähnte Frist Ihre baldigen Weisungen.


In vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebener
Dr. Turnovsky


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