Die Fackel schwelt


Sehr geehrter Herr Kollege!


Ich danke Ihnen vielmals für Ihr freundliches
Schreiben vom 11. Februar 1935 und die diesem beigelegte Uebersetzung des Schriftsatzes der Beklagten. Ich bedaure sehr, dass
Sie sich zu dem Schriftsatz nicht geäussert haben, weshalb ich
nicht sofort entscheiden kann, ob der Ausgleichsantrag der
Gegenseite anzunehmen oder abzulehnen ist. Es wird gewiss Ihrer
Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, dass einige von den zahl
reichen Zitaten falsch, andere aus dem Zusammenhang gerissen
unverständlich sind und insbesondere, dass sich sämtliche Zitate
nicht auf die Person des Ing. Butschowitz beziehen, sondern auf
dritte Personen oder auf die Partei, dass aber merkwürdigerweise
gerade der Teil der Fackel, der sich mit Herrn Ing. Butschowitz
resp. mit Herrn Verneau selbst beschäftigt (Seite 66ff. des
Juliheftes), gar nicht angeführt worden ist. Da ich die Bestim
mungen des tschechischen Gesetzes nicht kenne, bin ich mir nicht
im Klaren, ob nach den Gesetz oder nach den Entscheidungen die
Möglichkeit besteht, dass der Angeklagte sich auf eine Erregung
ausredet, die dadurch entstanden ist, dass Andere, seien es
auch Partei- oder Gesinnungsgenossen, beleidigt worden sind,
während er die ihm selbst zugefügte Behandlung als nicht beleidigend
ausser Betracht lässt. Würde die Gefahr bestehen, dass Herr Ing.Butschowitz tatsächlich freigesprochen wird, weil die sozial
demokratische Partei und Gesinnungsgenossen von ihm beleidigt
worden waren, so könnte man selbstverständlich den Prozess nicht
weiterführen, sondern müsste die angebotene Ehrenerklärung
annehmen. Ich möchte auch weiters fragen, ob, was ich für selbst
verständlich halte, aber was von Ihnen nicht ausdrücklich mit
geteilt worden ist, in diesem Falle die Gegenseite die Kosten
zu tragen bereit ist. Ferner möchte ich fragen, ob Ihnen zur
Vorlage der Uebersetzung des beleidigenden Artikels eine Frist
gesetzt worden ist, oder ob dies in Ihrem Belieben steht. Nach
Beantwortung dieser Frage werden Herr K. und ich erst zu entschei
den in der Lage sein, ob der Prozess weitergeführt werden soll.


Damit vielleicht manche Frage meinerseits überflüssig
werde, wäre es zweckmässig, wenn Sie mir das tschechoslovakische
Gesetz über die Beleidigungen mit Entscheidungen einsenden,
woferne dies in deutscher Sprache erhältlich ist.


Indem ich Sie herzlichst grüsse und Ihnen auch die
Grüsse des Herrn K. und seinen besten Dank übermittle, zeichne
ich


mit vorzüglicher kollegialer Hochachtung
Ihr ergebener


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