Deutschsprachiger Kommentar zum tschechischen Gesetz über den Schutz der EhreDie Fackel schwelt


Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich bestätige mit Dank den Empfang Ihres
gesch. Schreibens vom 18. d.M. und gestatte mir folgendes zu be
merken: Ich habe die vom Gegner angeführten Zitate erst nach
der Uebersetzung des Schriftsatzes verglichen und die falsche
Zitierung zwar gleich bei der Uebersetzung konstatiert, aber
erst später mit Verwunderung festgestellt, dass sich Butschowitz
und Dr. Bill gerade jene Stellen ausgesucht haben, die zur Begrün
dung des Strafausschliessungsgrundes des § 9 Absatz 2 des Ehrenschutzgesetzes meiner Ansicht nach nicht herangezogen werden
können. Es gibt bisher nur sehr wenige Kommentare zum Ehren
schutzgesetze, in deutscher Sprache ist nur einer erschienen,
der jedoch beinahe keine Entscheidungen enthält. Ich habe Ihnen,
Ihrem Wunsche entsprechend, diesen Kommentar, resp. diese
Gesetzesausgabe, einsenden lassen. In dem tschechischen Kommen
tar, den ich besitze, und in dem gleichfalls nur sehr wenige
Entscheidungen des Obersten Gerichtes enthalten sind, ist keine
Erläuterung zu der Bestimmung des § 9 Abs. 2 des Ehrenschutzgesetzes
zu finden, aus der zu entnehmen, wäre, auf welchen Umfang diese
gesetzliche Bestimmung eingeschränkt werden soll. Immerhin ist
in den Materialien zu diesem § ausdrücklich angeführt, dass dem
Gerichte die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen für
diesen Strafausschliessungsgrund gegeben sind, überlassen
werden muss. Die Nachsicht der Bestrafung gemäss § 9 Absatz 2
– und darum handelt es sich, nicht um einen wirklichen Strafaus
schliessungsgrund –, ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dem
Freispruch, im Gegenteil, das Gericht kann von einer Bestra
fung absehen, trotzdem der Angeklagte schuldig erkannt wurde,
wenn eben die Voraussetzungen des § 9 gegeben sind. In einem
solchen Falle hat der Angeklagte gemäss § 34 des Gesetzes Abs. 5
die Kosten des Strafverfahrens zu tragen.


Da ich über die Annahme des von Dr. Reiner
vorgeschlagenen Vergleiches nicht verhandelt, sondern mir
den Inhalt der Satisfaktionserklärung bloss ad referendum notiert
habe, habe ich auch die Frage des Kostenersatzes nicht berührt;
es ist aber selbstverständlich, dass bei einem solchen Vergleiche
derjenige, der sich zur Veröffentlichung einer Satisfaktionser
klärung verpflichtet, auch die Kosten zu tragen hat.


Zur Vorlage der Uebersetzung habe ich eine
Frist von 4 Wochen erhalten, welche am 11. März d.J. abläuft.


Ich verweise noch auf die Ausführungen des
Kommentars zum Gesetze über den Schutz der Ehre, welchen ich
Ihnen einsenden liess und zwar auf Seite 1006 und folgende,
aus denen Sie, sehr geehrter Herr Doktor, leicht ersehen werden,
dass durch das Gesetz und die bisherigen Entscheidungen nicht
festgestellt ist, ob die Voraussetzungen für das Absehen von
der Bestrafung gemäss § 9 auch dann als gegeben angesehen werden
können, wenn die Aufregung, in welcher die strafbare Handlung
begangen wurde, durch eine Handlung des Klägers verursacht
wurde, die nicht gegen den Beleidiger, sondern gegen andere
Personen, also zum Beispiel auch gegen seine Partei- und Gesinnungs-
genossen gerichtet war.


Vielleicht ist es Ihnen möglich, mir
nunmehr mitzuteilen, ob über den von Dr. Reiner beantragten
Vergleich verhandelt werden soll. Um eine baldige Mitteilung
bitte ich deswegen, weil ich die Uebersetzung des inkriminierten Artikels nur dann in Angriff nehmen möchte, wenn ich weiss,
dass es zu keinem Vergleiche kommen wird.


Mit vorzüglicher Hochachtung
und besten Grüssen Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky


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