Sehr geehrter Herr Doktor.


Heute fand die fortgesetzte Hauptver
handlung in obiger Angelegenheit statt. Ing. Butschowitz war
nicht anwesend, Dr. Bill hat erklärt, sich und ihn allein
verteidigen zu müssen, weil der Verteidiger Dr. Reiner schwer
erkrankt ist. Der Vorsitzende O.L.G.R. Illner fragte, ob ein
Vergleich möglich ist, worauf Dr. Bill in äusserst mangelhaft
tem Tschechisch erklärte, er habe immer seinen Vergleichwil
len bekundet, sei bereit, eine Satisfaktionserklärung abzu
geben und auf den Kostenersatz, auf den er Anspruch hätte,
weil die Klage unbegründet ist, zu verzichten. Diese Erklä
rung wurde vom Gerichte nicht ernst genommen und auf meine
Erwiderung, dass die Angeklagten eine Satisfaktionserklä
rung abgeben, die Kosten und einen Sühnebetrag zu Gunsten
der Prager-Arbeitslosen bezahlen müssten, stellte der erste
Votant die Höhe dieser Kosten mit zirka 1600 Kč fest. Dr. Bill
hat darauf erklärt, er zahle Herrn Kraus grundsätzlich keine
Kosten und überhaupt müsste auch er 1000 Kč für die Arbeits
losen erlegen, was vom Gerichte wiederum mit Heiterkeit auf
genommen wurde. Da also der Vergleich gescheitert ist, wurde
die Verhandlung eröffnet und der Vorsitzende konstatierte,
dass Dr. Bill am 5. d.M. einen Beweisantrag überreicht hat, dessen
zweites Pare er mir gleichzeitig ausfolgte. Ich habe erklärt,
dass ich mir, da ich den Inhalt des Beweisantrages gar nicht
kenne, eine schriftliche Aeusserung vorbehalte. Nach flüchti
ger Durchsicht des mir ausgehändigten Schriftsatzes, der eine
Reihe schwerster Beleidigungen enthält, habe ich zu Protokoll
gegeben, dass ich mir die Strafverfolgung des Dr. Bill wegen
des Inhaltes dieses Schriftsatzes vorbehalte, im Uebrigen aber
den Antrag stelle, Dr. Bill möge ohne Rücksicht auf das Er
gebnis des Strafverfahrens der Ersatz der Kosten auferlegt
werden, da der Beweisantrag in der offenbaren Absicht, das
Verfahren hinauszuziehen, gestellt wird und der Angeklagte
die angebotenen Beweise bereits früher hätte geltend machen
können und müssen. Ferner habe ich beantragt, die Beweise
nicht zuzulassen, da sie zur Durchführung des Wahrheitsbewei
ses überhaupt nicht dienen können. Da ich schon bei flüchti
ger Durchsicht des Schriftsatzes konstatiert habe, dass für
die Behauptung, die Verunglimpfung … zeige deutlich paranoische
Züge, der Wahrheitsbeweis beantragt wird, habe ich als Gegenbeweis die in der Geburts
tagsfestschrift veröffentlichten Artikel von Karel Čapek, JosefHora und Jan Münzer beantragt und überdies auch Herrn Dr. Liška
als Zeugen geführt. Dies tat ich deshalb, weil ich mir dachte,
dass man bei dieser Gelegenheit wird feststellen können, ob sich
Dr. Liška zum Zeugen in den wichtigeren Prozessen gegen die Arbeiterzeitung und den Sozialdemokrat eignet. Dr. Liška habe ich übri
gens noch als Zeugen über den ganzen Inhalt der von uns seiner
zeit abgegebenen Aeusserung gegen den ersten gegnerischen Beweisantrag
angeboten. Das Gericht zog sich zur Beratung zurück und ver
kündete dann den Beschluss, dass es sich die Entscheidung über
die Zulassung der gestellten Beweisanträge nach Einlangen der
vom Privatkläger binnen 3 Wochen zu überreichenden Aeusserung
vorbehält. Ebenso wird die Entscheidung nach § 34 Abs. 6 der
Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten. Die Hauptverhand
lung wird auf unbestimmte Zeit vertagt.


Ich übersende Ihnen eine Uebersetzung desBeweisantrages des Dr. Bill, den ich bisher nur für beschränkt
gehalten habe, jetzt aber als Vollidioten ansehen muss.
Ich nehme an, dass Herr K. die Gegenäusserung mit Ihnen bespre
chen wird, resp. sie selbst wird verfassen wollen. Deswegen unter
lasse ich es, vorläufig einen Entwurf der Gegenäusserung, so
wie ich sie mir vorstelle, einzusenden. Auf Wunsch würde ich sie
aber verfassen und einschicken. Ich glaube, dass man Dr. Bill
unbedingt wegen Ehrenbeleidigung klagen soll.


Mit der Bitte, Herrn K. meine besten Grüsse
zu bestellen, und mir mitteilen zu wollen, wie es ihm geht und
was ihm fehlt, jedenfalls auch meine Wünsche nach baldiger Bes
serung zu übermitteln, zeichne ich mit dem Ausdrucke vorzüglich
ster Hochachtung und mit besten Grüssen


Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky


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