Uebersetzung
des am 5.VI.1936 bei Gericht eingelangten, am 3.VI.1936 ver
fassten
Beweisantrages des Dr. Friedrich Bill in der
Strafsache
Tk 9179/34.
Löbliches Gericht.
Mit Hilfe einer
ausführlichen Ueber
setzung der Zeitschrift „Die Fackel“, welche sub G.Z. Tk VI
8789/34 / Prozess Karl Kraus ca:
Dr. Emil
Strauss / hätte vorge
legt werden sollen, habe ich beabsichtigt, nachzuweisen, dass
die inkriminierte Aeusserung aus der Feder des Ing. Butschowitz
nur eine zulässige Kritik
des Pamphletes des Klägers und zum
grössten Teil nur die
Zitierung u. Permutierung von Stellen aus
der Zeitschrift „Die
Fackel“ darstellt. Ferner wollte ich
eben durch diese
Uebersetzung beweisen, dass sie / ? / von Be
schimpfungen
gegen demokratische Schriftsteller nur so strotzt,
während der inkriminierte Artikel des Ing. Butschowitz über
haupt keine
Beschimpfungen oder Beleidigungen ent
hält. / Ich
verweise in diesem Zusammenhange auf meinen vor
bereitenden Schrift vom 9.I.1936 /.
Diese erwartete Uebersetzung,
deren
Anfertigung zirka 24.000
Kč betragen würde, ist dem Gerichte
allerdings nicht vorgelegt
worden, sie ist aber überflüssig
geworden, weil Herr Karl Kraus inzwischen mit seiner Klage
abgewiesen, resp.
der von Herrn
Kraus
Angeklagte durch dieses
löbliche Gericht freigesprochen wurde.
Es bleibt also nichts
anderes übrig,
als den
Wahrheitsbeweis durchzuführen, resp. in anderer Weise
glaubhaft zu machen, dass
der inkriminierte Artikel eine
straflose und zulässige
Kritik der Leistungen des Herrn Kraus
ist.
Da ich der Ansicht bin, dass
alle inkri
minierten Behauptungen trotz dem vorläufigen verdrehten und
teilweise
unverständlichen Kommentar auf den ersten Blick
nur als zulässige Kritik
erscheinen, der sich ein so brüsker
/ kann auch heissen:
scharfer / Schriftsteller aussetzen muss,
verbleibt nur die
Durchführung des Wahrheitsbeweises betref
fend die
inkriminierte Behauptung: „Die Verunglimpfung
/ der Führer der Wiener
Arbeiterschaft, welche von bewaffne
ten Faszisten
verfolgt waren /, wäre noch schwerer, wollte man
ihr nicht mildernd
anrechnen, sie zeige deutlich paranoische
Züge.“
Darüber, dass das ganze
schriftstellerische
Wirken des
Klägers,
welches in den letzten Jahren gegen
die Demokratie, ihre Führer und
im Interesse der faszisti
schen österreichischen Regierungscliquen gerichtet war, deutliche
paranoische Züge aufweist, werde
ich Nachfolgendes beweisen:
Der
Kläger hört die
ganzen Jahre hindurch bis in die letzte
Zeit nicht auf, in seinen
Artikeln tschechoslowakische Staats
männer unbegründet zu
beschimpfen, trotzdem er bis in die
letzten Monate hinein die
Gastfreundschaft unseres Staates
geniesst, so greift er z.B. in einer bei gesunden Leuten un
gewöhnlichen Weise in
den Nummern
909–911 der Zeitschrift„Die
Fackel“ die Wiener Tageszeitung „Der
Tag“ deswegen
an, weil
diese die Agitationsrede des Heimwehrpropagandisten Adam
nicht veröffentlicht hat und in diesem Zusammen
hange beleidigt er
grundlos den Herrn Präsidenten Dr. Beneš
wegen seiner staatsmännischen
Tätigkeit.
Beweis: Die Zeitschrift „Die Fackel“ Nr.
909–911
Seite 58,
als Zeugen Dr. F. Brügel, Sekretär im
Gesundheitsministerium, Legationsrat Šrom,
Pressereferent der
tschechoslovakischen Ge
sandtschaft in Wien.
Ferner macht der Kläger die
demokrati
schen
Einrichtungen der Č.S.R. lächerlich, denen er „bei
spiellose
Dummheit“ vorwirft.
Beweis: wie oben.
Ueber die
tschechoslowakische Nation und ihren
Befreiungskampf äussert er
sich etwa so, dass die Parteien
den Hausherrn hinausgeworfen
haben. Der Hausherr ist in
diesem Sinne Habsburg und die Partei wäre danach das tsche
choslovakische
Nation, die sich ihre Freiheit erkämpft hat.
Beweis: Die österreichische Ausgabe „Die Fackel“,Seite 912 bis 915,
Zeuge Legationsrat Šrom,
dieser auch darüber, dass
die gegen unseren
Staat
gerichtete Tätigkeit des Klägers vom
internationalen
Gesichtspunkte aus gelinde
gesagt deplaciert ist und Aergernis erweckt
hat.
Unter diesen Umständen
enthält der inkriminierteArtikel im „Aufruf“
nur eine zulässige Kritik der ganzen
verurteilungswürdigen
schriftstellerischen Arbeit des Klägers.
In diesem Sinne muss man
allerdings die ganze
literarische Persönlichkeit dieses Klägers behandeln, wel
cher mit nach
meiner Ansicht mutwilligen Klagen unsere
Gerichte überhäuft. Diese
Klagen sind durchwegs ein Kampf
gegen die berechtigte Kritik
der schriftstellerischen Tä
tigkeit der Klägers, welche vom
demokratischen Standpunkte
direkt verheerend erscheint. Aber die Art, in welcher diese
Tätigkeit entwickelt wird,
berechtigt zumindest zum Aus
spruche des Ing. Butschowitz,
dass die Verunglimpfung …
deutlich paranoische Züge aufweist.
Gegen diesen Schwall von
Beleidigungen, Herab
setzungen, Verdächtigungen und sogar Sammelklagen, mit
denen Herr Kraus jeden verfolgt,
welcher ihm zu wider
sprechen wagt, ist die inkriminierte Behauptung sicher
lich nur eine
unschuldige Konstatierung augenfälliger
Tatsachen.
Als Beweis für meine
Behauptung stelle ich ferner
den
Antrag,
es mögen die Akten des Kreis-Strafgerichtes in Brünn
Tl III 239/34 Tl. III
256/35, Tl. III 239/34, T IV. 1135/36
requiriert und verlesen
werden und Herr Ing. Ignatz Sonnenstein /
Sonka / Schriftsteller in Vršovic,
Ruská 58, als
Zeuge
einvernommen werden.
Ich bitte, diese Beweise aus
dem Grunde durch
zuführen, damit der Kläger endlich in seiner
ganzen Wesen
heit
vor diesem Gerichte enthüllt werde und
damit ihm we
nigstens für einige Zeit die Lust benommen werde, demokra
tische
Schriftsteller in einem demokratischen Staate wegen
ihrer zulässigen Tätigkeit
zu verfolgen.
JUDr. Friedrich Bill
Prag, am 3. Juni 1936.