Sehr geehrter Herr Kollege.
In Beantwortung Ihres w. Schreibens vom 24. d.M.
teile ich Ihnen mit, dass es mir
natürlich ein besonderes
Vergnügen und eine hohe Ehre sein wird, Karl Kraus zu
ver
treten.
Ich stehe Karl Kraus
seit Jahren nichts weniger
als gleichgiltig gegenüber und habe sein Wirken mit der
grössten Verehrung und
Bewunderung verfolgt; wenn ich auch
nicht immer in allen
Einzelfragen bedingungslos mit seinen
Ansichten übereinstimme, so
glaube ich nicht, dass ich jemals
in einen innern Konflikt
geraten wäre resp. geraten könnte,
wenn ich als sein Anwalt für
seine Gesinnung einzustehen
hätte. Parteimässig bin ich durchaus nicht gebunden, habe
also nach jeder Richtung –
innerlich wie äusserlich – zur
Uebernahme dieser Vertretung freie Hand.
Ich danke Ihnen, sehr
geehrter Herr Kollege, je
denfalls sehr dafür, dass
Ihre Wahl für diese ehrenvolle
Aufgabe auf mich gefallen ist und verbleibe
mit kollegialer Hochachtung
Ihr ergebener
Dr. Herrmann