Sehr geehrter Herr Kollege,
Ich erhielt Ihr gesch. Schreiben vom 17. d.M.
und glaube Ihre Bedenken
zerstreuen zu dürfen. In einer an
dern Entscheidung des Obersten Gerichtes Nr. 3541/29 ist näm
lich ausdrücklich
erklärt, dass die Bestimmung des § 6/ jetzigen § 12 / der
Pressgesetznovelle über die Hemmung
der Verjährung auch dann gilt,
wenn der Privatankläger den
wahren Urheber schon vor Einbringung des Begehrens um Ver
folgung des verantwortlichen
Redakteurs gekannt hat.
Da der §
6 bei der Behandlung der Verjährung
zwischen subjektiver und
objektiver Verjährungsfrist nicht un
terscheidet, hat er zweifellos
beide Fristen im Auge. Dies
ist
im Uebrigen in der oben zitierten Entscheidung Nr. 3541
auch ausdrücklich erklärt. Das
Oberste Gericht hat in die
ser Entscheidung gesagt, dass die
Bestimmung des § 12/ jetzt 6 / der
Pressgesetznovelle betreffend die Hemmung
der Verjährungsfrist zwingendes
Recht ist und dass durch
diese
Bestimmung der § 530 des Strafgesetzes für den Be
reich der Pressdelikte abgeändert
wurde.
Ueber den Zweck der behandelten
pressgesetz
lichen
Norm, ist in der angeführten oberstgerichtlichen
Entscheidung gesagt: Zweck der
Vorschrift über die Hemmung
der
Verjährung bei Beleidigungsdelikten ist, dem Privatan-
kläger vollkommene Freiheit zu
verbürgen, von den nach dem
Gesetz verantwortlichen Personen gerade jene zu verfolgen, von
deren Verfolgung er sich auf
Grund der Ergebnisse des Straf
verfahrens, das vielleicht nur
gegen eine von ihnen geführt
wurde, erhofft, dass er am zweckmässigsten und leichtesten
das durch die Privatanklage
verfolgte Ziel, nämlich die Reha
bitilierung vor der
Oeffentlichkeit erreicht.
Heute erhielt ich auch schon die
Ladung zur Vergleichs
verhandlung, welche vom Strafkreisgericht auf den
28.
November d.J., 9 Uhr vormittags, Saal 25
angeordnet wurde.
Die Satisfaktionserklärung, die Sie mir mit Ihrem Briefvom 17. d.M. übermittelt haben, habe ich zur Kenntnis genommen.
Ich nehme an, dass Herr Kraus verlangt, dass im Falle eines
Vergleiches die Erklärung in der Arbeiterzeitung abgedruckt
werde.
Ich zeichne
mit vorzüglicher Hochachtung
ergebener
Dr. Herrmann