Sehr geehrter Herr Kollege.


Ich bestätige Ihr gesch. Schreiben vom 2. d.M.
Gestern hat Herr Dr. Turnovsky bei mir angerufen und mir von
der Anwesenheit unseres Mandanten in Prag Mitteilung gemacht.
Leider dürfte ich während der Dauer des Prager Aufenthaltes
Herrn Kraus’ in Prag kaum zu tun haben. Ich werde jedoch ver
mutlich gegen Ende der nächsten Woche beruflich in Wien sein
und die Gelegenheit gern wahrnehmen, um mit Ihnen und Herrn
Kraus die Sache eingehend zu besprechen. Ich bitte Sie jeden
falls um Ihre freundliche Mitteilung, wann Herr Kraus wieder
nach Wien zurückkommt, damit ich meine Dispositionen im An
schluss an die des Mandanten treffen kann.


Herr Dr. Herrmann wird wahrscheinlich morgen
oder übermorgen beruflich in Wien zu tun haben. Die Zeit, die
er in Wien verbringen will, ist jedoch durch sein umfangrei
ches Programm vollkommen ausgefüllt. Falls er nur irgendwie
Zeit findet, wird er sich mit Ihnen, sehr geehrter HerrKollege, zumindest telefonisch ins Einvernehmen setzen.


Bei dem gestrigen Telefongespräch hat Herr
Dr. Turnovsky auch die Frage aufgeworfen, ob nicht der Beweisantrag der Angeklagten zum Gegenstand einer neuen Klage wegen
Ehrenbeleidigung gemacht werden soll. Meiner Meinung nach wäre
das Schicksal dieser Klage doch wohl davon abhängig, wie der
hiesige Pressprozess entschieden wird. Weiters habe ich auch
das Gefühl, dass die Einbringung einer neuen Ehrenbeleidigungs
klage vom Strafgericht als eine Art Versuch angesehen werden
könnte, das Recht der Angeklagten auf Verteidigung und auf
Vorbringen aller zu diesem Zweck nach Ansicht der Angeklagten
notwendigen, wenn auch unwahren Fakten, zu beschneiden.


Der Ehrenbeleidigungsprozess, der ja vor dem Bezirksgericht durchgeführt werden müsste, würde wahrscheinlich bis zur
Erledigung des Pressverfahrens unterbrochen werden.


Schliesslich gestatte ich mir noch darauf hinzuweisen, dass
die subjektive Verjährungsfrist, wie Ihnen, sehr geehrter HerrKollege, ja bekannt sein dürfte, hier mit zwei Monaten festge
setzt ist.


Vielleicht ist vor Ablauf dieser Frist, die ich mir je
denfalls vormerke, das Pressverfahren so weit geklärt, dass es
leichter fällt, eine Entscheidung über die Frage der Einbringung
der neuen Ehrenbeleidigungsklage zu treffen. Darum möchte ich
empfehlen, die Entscheidung in dieser Sache zunächst auf etwa
5 Wochen zurückzustellen.


Für die Erstattung unserer Aeusserung im Pressverfahren
habe ich mit einer gestern überreichten Eingabe um Frister
streckung bis 25. d.M. angesucht. Ich bin der Meinung, dass diese
Fristerstreckung ohne weiters wird bewilligt werden, wahr
scheinlich auch eine weitere Erstreckung, falls diese not
wendig werden sollte.


Ich verbleibe
mit vorzüglicher Hochachtung
ergebener
Dr. Gallia


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