Sehr geehrter Herr Kollege!
Ich habe Ihnen durch den
Verlag ‚Die Fackel‘
je ein Exemplar der Nr.
426–430 und 454–456 (das sind die beiden
Nummern, die Herr K. zur Einvernahme nach Brünn mitgebracht hatte)
und zwei Exemplare der Nr.
484–498 zuschicken lassen. Auf der
Seite 213 dieses Heftes
befindet sich die Glosse „Verstaatlichung“,
die Herr K. im Auge hatte, als er sagte, dass er schon im
Krieg
für den Anspruch
der tschechischen Nation auf Selbständigkeit
eingetreten sei. Weitere
Stellen haben wir leider nicht ge
funden. Ich glaube aber,
dass diese Stelle in ihrer kurzen
Deutlichkeit genügen wird.
Als Zeugen über das Werk des
Herrn K. wären
am besten Herr Heinrich
Fischer und Herr Professor Ingenieur
Dr. Karl Jaray,
Architekt in Wien XIX.,
Langackergasse 22 zu führen.
Herr Professor Jaray ist bereit, zur Hauptverhandlung nach Brünn
zu kommen. Ich weiss nicht,
ob es möglich ist, dass Sie einen
Einfluss darauf nehmen,
welche Fragen an Herrn Fischer bei
seiner Einvernahme in Prag gestellt werden. Wenn diese Möglich
keit besteht,
würde ich die folgenden Fragen vorschlagen:
1.) Was ist Herrn Heinrich
Fischer bekannt über den Verkehr des
Herrn Kraus in Berlin in
kommunistischen Kreisen insbesondere
im Jahre 1925?
2.) Was ist Herrn Fischer über eine Rede des Herrn Sonnenschein-
Sonka bezüglich des Abwehrkampfes
des österreichischen Regimes
Dollfuss und Schuschnigg bekannt?
3.) Was kann Herr Heinrich
Fischer als langjähriger Leser der
Fackel über den angeblichen Gesinnungswechsel des Herrn Kraus
und insbesondere über
etwaige unlautere Motive aussagen?
4.) Welches ist der Inhalt
der Stelle aus der Nr. 912–915, Seite61, zitiert auf
Seite 39 des Schriftsatzes und bezieht sie
sich überhaupt auf die
tschechoslowakische Republik?
Herr Professor Jaray wäre über die Punkte
3 und 4 zu befragen.
Ein weiterer Zeuge ist noch vorgesehen,
doch haben wir, bevor wir
Ihnen dessen Anschrift bekanntgeben,
noch Erkundigungen über ihn
eingezogen.
In der Anlage übersende ich
Ihnen ferner
die beiden
gewünschten Seitz-Briefe im Original.
Vielleicht ist es auch von
Bedeutung, wenn
Sie zur
Begegnung des Vorwurfes der Profitmacherei die Summen
wissen, die Herr K. auf den Verlag ‚Die Fackel‘ in den letzten
Jahren daraufgezahlt hat,
aus denen wohl zur Genüge hervorgeht,
dass es sich ihm bei der
Aufrechterhaltung dieser Zeitschrift
ledig
lich um
geistige und kulturelle Ziele handelt.
Die Verluste betragen: im
Jahre 1930 … S 15.509.49
im
Jahre 1931 … S 10.309.76
im
Jahre 1932 … S 12.679.29
im
Jahre 1933 … S 12.891.84
im
Jahre 1934 … S 15.391.75
im
Jahre 1935 … S 16.994.76.
Indem ich Sie herzlichst
begrüsse und auch
die besten
Grüsse des Herrn K. übermittle, zeichne ich mit
vorzüglicher kollegialer
Hochachtung
als Ihr ergebener
2 Beilagen.
N.S. Herr Heinrich
Fischer ist auch der Verfasser
einer Broschüre „Karl Kraus
und die Jugend“, die ich
Ihnen einsenden lasse. Es
bleibt Ihnen überlassen, ob man diese
Broschüre dem Gericht vorlegen soll und wenn, ob Herr Fischer selbst
sie
bei der Zeugenaussage vorzulegen hat oder ob Sie das tun wollen.