Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich danke für Ihr geschätztes
Schreiben vom 26. d.M. samt Beilagen.


Vorläufig habe ich einen Auftrag
des Gerichtes zur Vorlage der Uebersetzung des Schriftsatzes
nicht bekommen. Ich glaube, dass die Gegenseite einen dahin
zielenden Antrag auch noch nicht überreicht hat. Leider muss
ich fürchten, dass es kaum einen Weg geben dürfte, die Sprachen
vorschrift zu umgehen, obwohl natürlich alle an der Sache Be
teiligten ganz genau wissen, dass es sich um ein rein schika
nöses Verlangen Sonkas handelt.


Für die Angabe des weiteren Zeugen
Herrn Dr. Liska danke ich bestens. Glauben Sie, dass Herr Dr. Liska durch den Prager Untersuchungsrichter vernommen werden soll
oder ob es besser wäre ihn ebenso wie Herrn Prof. Jaray zur
Hauptverhandlung nach Brünn laden zu lassen? Die Entscheidung
über diese Frage hängt davon ab, ob Herr Dr. Liska genügend
sattelfest und schlagfertig ist, um dem Kreuzverhör, das in der
Hauptverhandlung zu erwarten ist, Stand zu halten. Sollten Sie
oder Herr Dr. Liska es vorziehen, dass er seine Aussage lieber
in der ruhigeren Atmosphäre des Untersuchungsrichters ablegt,
wäre er in Prag im Wege der Requisition zu hören.


Von der Ladung Herrn Dr. Werners möchte ich aus
den Herrn Kraus schon mündlich dargelegten Gründen unbedingt
Abstand nehmen, da ich es unter allen Umständen vermeiden will
Herrn Dr. Werner in eine für ihn ganz besonders unangenehme
Lage zu bringen, nämlich die, dass er als altes organisiertes
Mitglied der sozialdemokratischen Partei gezwungen wird, in
einem Prozess gegen diese Partei auszusagen.


Ich werde jedenfalls mit Herrn Dr. Werner noch
einmal über seine allfällige Einvernahme sprechen. Vielleicht
ist er bereit sich einvernehmen zu lassen, wenn sich das Be
weisthema auf die in Ihrem Brief vom 26. d.M. erwähnten Angaben
beschränkt.


Eine unangenehme Veränderung hat sich in der
Zusammensetzung des Senats ergeben. Herr Dr. Winter ist dieser
Tage zum Vorsitzenden eines neu gebildeten Spruchsenats er
nannt worden. An seine Stelle tritt vorläufig ein junger če
chischer Richter, Dr. Hubáček, der allerdings das Referat nicht
lange behalten dürfte. Herr Dr. Winter hat mir, als er mir Mit
teilung von seiner Versetzung machte, zugesagt, unseren Prozess
im Auge zu behalten und seinen Nachfolger entsprechend zu in
formieren.


Ich begrüsse Sie, sehr geehrter Herr Doktor,
aufs Herzlichste, bitte Sie, mich auch Herrn Kraus bestens zu
empfehlen und verbleibe


Ihr ganz ergebener
Dr. Gallia


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