ZeitgeisterDie Fackel


Uebersetzung.


G.Z. T IV 1135/36


Die Beklagten treten den Wahrheitsbeweis resp. den Beweis
des entschuldbaren Irrtums an.


In der aussen bezeichneten Angelegenheit über
reichen wir in der uns hiezu gestellten Frist bei diesem
Gericht diese Eingabe, mit der wir den Wahrheitsbeweis resp.
den Beweis des entschuldbaren Irrtums durchführen:


1./ Dieses Gericht ist unzuständig und das bisher
durchgeführte Verfahren nichtig, weil der Privatkläger mit
seinem Verfolgungsantrag das Strafkreisgericht in Brünn und
nicht dieses Gericht angerufen hat.


Das Strafkreisgericht hat über seine Unzuständig
keit in der gesetzlich vorgeschriebenen Form überhaupt noch
nicht entschieden, d.h. weder durch Urteil noch durch Beschluss.
Es ist daher ständig zur Entscheidung dieses Pressestrittes
zuständig.


Laut Entscheidung des Obersten Gerichts Slg.
Vážný 3345 muss das Schöffengericht in einem solchen Falle
ausschliesslich mit Urteil entscheiden, weil seine Entschei
dung über die Unzuständigkeit die Lösung der Rechtsfrage der
Qualifizierung der geklagten Handlung voraussetzt, nämlich ob
es um eine mittels Druckschrift begangene Beleidigung geht oder
nicht.


Beweis: Die Akten Tl III 256/35, Tl X 299/34 des
Strafkreisgerichtes in Brünn.


2./ Ich angeklagter Josef Schramek bin zu dieser Kla
ge passiv überhaupt nicht legitimiert, da ich meinem Verteidiger keinen Auftrag zur Durchführung des Wahrheitsbe
weises und demzufolge auch nicht zur Verfassung des vor
bereitenden Schriftsatzes vom 18.2.1936, dessen Inhalt mir
unbekannt ist, gegeben hatte und auch nicht nachträglich zu
seiner Verfassung weder Informationen noch meine Zustimmung
erteilte. Ich habe meinem Verteidiger einzig und allein
Auftrag gegeben, bei der Hauptverhandlung vom 18.2.1936 in
meinem Namen zu erklären, dass ich hinsichtlich des Gedichtes
Zeitgeister“, dessentwegen allein ich geklagt wurde, weder
den Wahrheitsbeweis noch den Beweis entschuldbaren Irrtums
antrete. Dies ist auch geschehen. Insoferne mein Verteidiger
meinen Namen im vorbereitenden Schriftsatz vom 18.2.1936 an
geführt hat, geschah dies in der Kanzlei im Drange der Arbeit,
da jener vorbereitende Schriftsatz auf Grund der Information
bloss des Mitbeklagten Sonka knapp vor der Hauptverhandlung
verfasst worden ist.


Beweis: Wie ad 1/ und durch die Zeugenschaft des Dr. KarlKřepelka, Advokaturskonzipienten in Brünn, Salzamtsgasse 3a.


3./ Durch die Ueberreichung des vorbereitenden Schriftsatzes vom 18.2.1936 habe ich Hugo Sonnenschein von meinem
Recht auf Verteidigung Gebrauch gemacht und die Grenzen
dieses Rechtes in keiner Weise überschritten. Zur Behauptung
sub IX/ habe ich meinem ausgewiesenen Verteidiger ausdrücklich
als Beweis die österreichische Ausgabe der ZeitschriftDie Fackel Nr. 912–915 angeboten, weil ich die Aeusserung
von der Partei, welche den Hausherrn hinausgeworfen hat,
in der österreichischen Ausgabe der erwähnten Zeitschrift
gelesen hatte. Der Privatkläger erklärt zwar feierlich, dass
zweierlei Ausgaben der Zeitschrift die Fackel nicht exi
stieren, aber gleich in einem Atem gibt er zu, dass es doch
einen Unterschied zwischen der čechoslowakischen und öster
reichischen Ausgabe gibt und das gerade in der Preisangabe.
Ich kann nichts dafür, dass ich jene Ansicht des Privatklägers, welche ich in meinem Antrag vom 18.2.1936 ver
wendet habe, gerade in der österreichischen Ausgabe ge
lesen habe. Während die übrigen Zitate mir durchwegs ent
weder aus den alten, zur Zeit Oesterreich-Ungarns natur
gemäss einheitlichen Ausgaben oder aus den für die Če
choslowakei bestimmten Exemplaren bekannt waren, las ich
die Behauptung sub IX/ des vorbereitenden Schriftsatzes
gerade in der österreichischen Ausgabe. Nur wegen der
sichereren Auffindung der zitierten Stelle habe ich in der
Information meinem Verteidiger mitgeteilt, dass sich
jenes Zitat in der österreichischen Ausgabe Nr. 912–915 der
Zeitschrift Die Fackel befindet, was auch der Privatkläger
in seiner Klage selbst zugegeben hat. Ich habe diesem kei
nerlei beleidigende und vom Privatkläger mit imputierte
beleidigende Färbung gegeben.


Beweis: Information, welche ich vorlegen werde.


Aus der Vermutung des Privatklägers, welche
auf der letzten Seite der Klage ausgesprochen ist,
d.i. als ob es um einen Ausdruck besonderer Böswil
ligkeit und Hasses ginge, ist zu ersehen, dass der
Privatkläger in seinem Urteil nicht objektiv ist und
sich um jeden Preis bemüht, mir die im Presstritt ange
tretene Durchführung des Wahrheitsbeweises resp. Beweises des entschuldbaren Irrtums unmöglich zu machen. Eine
derartige Handlungsweise sucht gerade das Gesetz über
den Schutz der Ehre zu verhindern und zwar im § 6, Abs. 1,
auf welchen ich mich insbesondere in dieser meiner Ver
teidigung berufe.


Josef Schramek.
Hugo Sonnenschein.


Brünn, am 18. Mai 1936.


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