Der Racheakt der Polizei gegen BraunthalZeitgeister


Sehr geehrter Herr Kollege.


In Erwiderung Ihres gesch. Schreibens vom 6. d.M.
gestatte ich mir folgendes mitzuteilen:


Ich teile Ihre Ansicht, dass die beim Bezirksgericht verhandelte Sache gegen Schramek auf Grund der Aussage
Dr. Křepelkas zu einem Freispruch dieses Angeklagten führen dürfte.
Ob wir allerdings aus diesem Grund die Bezirksgerichtsklage gegen
Schramek zurückziehen sollen, weiss ich nicht, da aller Wahrschein
lichkeit nach die Sache bei der nächsten Verhandlung beendet werden
dürfte und die Kosten dieser einen Verhandlung nicht beträchtliche
sind. Wie Sie wissen dürften, ist der Normalsatz für Ehrenbeleidi
gungsverhandlungen Kč 40.–, das Kostenrisiko also ein recht gerin
ges.


Zu der weitern Frage eines allfälligen Vorgehens
gegen Herrn Dr. Ečer möchte ich bemerken, dass ich mir von dieser
Massnahme nicht viel verspreche, da Dr. Ečer vermutlich den Stand
punkt einnehmen würde, er habe den Schriftsatz, der die Grundlage
der Bezirksgerichtssache ist, überhaupt nicht gelesen, wei
ters, was mir wichtiger erscheint, dass durch die von seinem Konzipienten bei der Hauptverhandlung vom 18. Feber 1936 abgegebene
Erklärung, dass Schramek den Wahrheitsbeweis hinsichtlich des
Sonkaschen Gedichtes nicht antrete, klar zu erkennen gewesen sei,
dass sich Schramek mit dem Inhalt des gegnerischen Schriftsatzes
nicht identifiziere. Ich habe Ihnen hierüber mit meinem Schreibenvom 24.II. l.J., 4. Seite, letzter Absatz, berichtet. Es liegt hier
zweifellos ein gewisser Widerspruch vor, denn nach dem Protokoll
der Hauptverhandlung vom 18.II.1936 hat Dr. Křepelka als Vertei
diger beider Angeklagten einerseits im Namen beider Angeklagten
den Inhalt seines Beweisantrages wiederholt, gleich darauf jedoch im
Namen Josef Schrameks erklärt, dass dieser hinsichtlich des Gedich
tes „Zeitgeister“ weder den Wahrheitsbeweis noch den Beweis ent
schuldbaren Irrtums antrete oder durchführe. Uebrigens: da Schramek,
wie ich Ihnen am 4. d.M. mitteilte, auch zu dem inkriminierten Ar
tikel „der Racheakt der Polizei gegen Braunthal“ den Wahrheits
beweis nicht antreten will, ist seine Verurteilung im Hauptprozess
wohl ausser jedem Zweifel.


Ich erwarte Ihre freundlichen Nachrichten und zeichne mit
den besten Grüssen


Ihr ganz ergebener
Dr. Gallia


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