Die Fackel


Sehr geehrter Herr Kollege.


Es freut mich ausserordentlich, Ihnen
mitteilen zu können, dass bei der Berufungsverhandlung das erst
gerichtliche Urteil in jenem Teil, auf den es besonders ankam,
bestätigt wurde. Es handelt sich um den von Sonka Herrn K. ge
machten Vorwurf, Herr K. habe sich dahin geäussert, dass die čsl.
Nation keinen Anspruch auf Selbständigkeit habe. Allein dieser
Teil unserer Bezirksgerichtsklage war ja für den Pressprozess
von Wichtigkeit.


Was es das weitere inkriminierte Faktum
anlangte, dass die Fackel in zweifacher Auflage, in einer für die
ČSR bestimmten und in einer oesterreichischen erscheine, wurde
das Urteil des Bezirksgerichtes abgeändert und Sonka in diesem
Punkt freigesprochen. Die Strafe, die das Berufungsgericht verhängt
hat war die gleiche wie die des Erstgerichtes. Auch der Ausspruch
über die bedingte Verurteilung und die Bewährungsfrist blieben
aufrecht. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen wurden ge
genseitig aufgehoben.


In der recht ausführlichen Begründung, die
ich Ihnen seinerzeit noch nach Ausfertigung des schriftlichen
Urteiles in deutscher Uebersetzung werde zukommen lassen, hat der
Senatsvorsitzende ausgeführt, dass Sonka der Wahrheitsbeweis
nicht gelungen sei und dass auch ein Exkulpierungsgrund nach § 6des Ehrenschutzgesetzes nicht gegeben wäre. Sonka hat nach Ansicht
des Berufungsgerichtes die Grenze der zulässigen Verteidigung
überschritten urd es war daher das Berufungsgericht ebenso wie
der Erstrichter der Ansicht, dass die Behauptungen des Punktes IX/
des gegnerischen vorbereitenden Schriftsatzes aus dem Presseprozess
den Tatbestand nach § 2 des Ehrenschutzgesetzes herstellen.


Von der Anklage, eine Ehrenbeledigung dadurch begangen
zu haben, dass er behauptet hätte, die Fackel erscheine je nach dem
Land wo sie verbreitet werde, in verschiedenen Auflagen, wurde Sonka
deshalb freigesprochen, weil das Berufungsgericht der Ansicht ist,
aus der blossen Bezeichnung „österreichische Ausgabe“ der Fackel
könne noch nicht geschlossen werden, dass Sonka in dieser Hinsicht
die ihm zur Last gelegte Ehrenbeleidigung begangen hätte.


Der freisprechende Teil des Urteiles des Berufungsgerichtes ist offenkundig falsch, doch bin ich mit dem Ergebnis der
Verhandlung trotzdem vollkommen zufrieden, da ich nach einer längeren
Unterredung, die ich heute vor der Verhandlung mit einem Mitglied
des Senats hatte, befürchten musste, dass Sonka zur Gänze freigespro
chen wird.


Von der Schwierigkeit, die mit Führung eines Prozesses,
wie des vorliegenden, bei unserem Berufungssenat verbunden ist, wer
den Sie sich, sehr geehrter Herr Kollege, vielleicht aus folgendem
Vorfall, der sich bei der heutigen Verhandlung zugetragen hat, ein
Bild machen können. Der Senatsvorsitzende hat die Stelle aus der
Fackel Nr. 912/915 vorgelesen, aus der Sonka die Wahrheit seiner An
würfe ableiten will. Die Verlesung hat er mit den Worten einge
leitet: „Meine Herren, passen Sie jetzt gut auf, ob in der Stelle, die
ich verlesen werde, das Wort ‚Čsl. Republik‘ vorkommt. Ich finde es
nicht. Was ich vorlesen werde, werden Sie ja ohnedies nicht verstehen,
ich bitte also nur zuzuhören und mir dann zu sagen, ob Sie den
Ausdruck ‚Čsl. Republik‘ gehört haben.“


Dem Kostenrekurs, den ich überreicht habe, wird statt
gegeben werden. Allerdings werde ich versuchen, in der Kosten
frage, die sich ja nur auf Schramek bezieht, mit Dr. Ečer noch zu
einer Einigung zu gelangen, da ich darum von dem Senat ersucht
wurde.


Ich begrüsse Sie herzlichst
als Ihr ganz ergebener
Dr. Gallia


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