Sehr geehrter Herr Kollege!


Mit dem besten Dank bestätige ich den
Empfang Ihres freundlichen Schreibens vom 18. Januar 1937. Ich
bedauere, dass mir die Berufung des Herrn Sonka so spät zu Ge
sicht kam, ich hätte Ihnen zu Ihrer Unterstützung eine ausführ
liche Gegendarstellung gegeben. So bin ich mit Rücksicht auf
die Kürze der Zeit nur in der Lage, Sie auf die groben Entstel
lungen, die die Berufung enthält, aufmerksam zu machen. Die
Nummern der Fackeln, auf die es hier besonders ankommt, nämlich
die Nr. 514–518 und 912–915, habe ich Ihnen am 23. April 1936 über
senden lassen. Sie sind die Beilagen 5 und 36 zu dem grossen
Schriftsatz. Auf diesen Schriftsatz muss ich auch hinweisen zur
Widerlegung der Behauptung des Gegners, Kraus habe der Tschecho
slowakei den Anspruch auf Selbständigkeit abgesprochen. Die
Niedertracht aus dem aus dem Zusammenhang gerissenen Satz der
Nr. 514/18, Seite 25: „wenn Prag die Hauptstadt von Oesterreich-
Ungarn wird …“ eine Meinung von Karl Kraus zu konstruieren, er
habe die Berechtigung auf Selbständigkeit der tschechoslowakischen
Republik verneint, kann nicht genug unterstrichen werden, und
ich würde empfehlen, dem Gericht den ganzen Abschnitt von Seite24 angefangen bis auf Seite 26 zur Kenntnis zu bringen, zumal
da die jetzige europäische Situation mehr denn alles andere den
prophetischen Blick von Karl Kraus dartut, weil es ja leider
wirklich dazu gekommen ist, dass „Europa das Opfer der Selbstver
preussung“ auf sich genommen hat. Was der sowohl in dem seiner
zeitigen Schriftsatz als auch in der Berufungsschrift enthaltene
Satz sagen will, „dass doch eine Differenz zwischen der tschecho
slowakischen und der österreichischen Ausgabe existiert und zwar
gerade in der Angabe des Preises“ kann ich nicht herausbekommen.
Er ist der Gipfelpunkt der Schwachköpfigkeit. Im Uebrigen kann
man wirklich nichts tun, als hoffen, dass die Richter trotz der
Schwierigkeit der Diktion die Haltung von Karl Kraus verstehen
werden, besonders, wenn man sie auf die Beziehungen von Kraus zu
dem Präsidenten Masaryk aufmerksam macht, über welche die Belege
in Ihrer Hand sind.


Mit besten Grüssen und vorzüglicher kollegialer
Hochachtung bin ich


Ihr ergebener


3