Seit dem Auftreten der Stunde in Wien ist eine bisher noch
nie dagewesene Art der
Kritik und Berichterstattung in die Er
scheinung getreten, die ohne
einer Meinung oder Ueberzeugung
zu dienen, die jeweiligen
Interessen, die sie zum Ausdruck bringen
will mit den Mitteln
gröbster Fälschung vertritt. Wohin die
Interessen der Stunde gegangen sind, haben andere
Strafprozesse
gezeigt,
insbesondere die Erhebung der Anklage wegen Erpressung
gegen den
Administrationschef Forda, den
Administrationsbeamten
O’Brien und die Einleitung der
Voruntersuchung gegen den ehe
maligen Herausgeber Bekessy. Dass die Stunde vor keinem Mittel
zurückschreckt, um ihre
Taten zu verleugnen und zu beschönigen
geht auch aus der vor kurzem
berichteten Tatsache hervor, dass
gegen Herrn Bekessy die Voruntersuchung und gegen den ehemaligen
Chefredakteur Tschuppik und die Sekretärin des Herrn Bekessy
Frl. Greis die Vorerhebungen wegen falscher Zeugenaussage in
einem
Urheberrechtsprozess eingeleitet wurde. Das hohe Gericht hat
auch in diesem Strafprozesse
sehen müssen, in welch misslicher
Situation man gegenüber
Delikten, welche durch die Zeitung begangen
worden sind, sich befindet.
Sämtliche Redakteure der Stunde
wurden als Zeugen
einvernommen und kein einziger, nicht einmal
der Bilderredakteur und Bilderzeichner der
Stunde konnte sich
noch erinnern von wem er den
Auftrag erhalten hat, das gegenständ
liche Bild zu retouchieren
und wer die Veröffentlichung des
retouchierten Bildes
veranlasst hat. Der Zeichner Herr Sipos
hat sich damit ausgeredet,
dass er damals viel zu tun hatte und
auf seinem Schreibtisch eine
grössere Anzahl derartiger Arbeiten
lagen, so dass er sich an
den Auftraggeber in diesem Falle nicht
erinnern könne. Die übrigen
Herren waren entweder beschäftigt oder
verreist oder auf Urlaub,
kurzum wenn der heutige Angeklagte und
verantwortliche Redakteur
Dr. Fritz Kaufmann nicht die Unvorsich-
tigkeit begangen hätte,
zuzugestehen, dass er das gegenständliche
Bild vor der Drucklegung
gesehen und zum Drucke befördert habe,
wäre es wahrscheinlich
überhaupt nicht gelungen einen Täter we
gen Vergehens gegen das
Urheberrechtsgesetz zur Verantwortung
zu ziehen und es hätte nur
der Privatankläger Karl Kraus gegen
Dr. Fritz Kaufmann wegen des bei weitem
geringeren Delikts wegen
Uebertreten gegen das Urheberrechtsgesetz vergehen können, weil
dieses Delikt schon bei
fahrlässiger Begehung strafbar macht.
Sie dürfen aber nicht
glauben, dass Dr. Fritz Kaufmann aus Bekenner
mut sein
Geständnis abgelegt hat, dass er es getan hat, gab er
nur deshalb zu, weil er
hoffte und glaubte, dass es nicht gelingen
werde, ihm die wissentliche
Verletzung des Urheberrechtes nach
zuweisen. Dr. Fritz Kaufmann leugnet, wie aus den von mir
gegen ihn
geführten Prozessen
wiederholt zu Tage trat, alles, was ihm zum
Nachteil gereichen könnte,
selbst dann, wenn er schon des Gegen
teils überführt worden ist
und er gesteht infolge einer etwas ei
gentümlichen Veranlagung mit
dem Recht zum Spielen und gewisser
massen seine Ueberlegenheit
gegenüber dem Gesetze zu zeigen,
alles das zu, wovon
erglaubt, dass es keine rechtlichen Konsequen
zen habe werde. Ich möchte
da nur auf einen Fall statt vieler
hinweisen. In dem Prozess
wegen Berichtigung eines Bildes, den
Sie ja gesehen haben und aus
den Ihnen die Konstatierungen gemacht
wurden, wurde die Stunde verurteilt, das Bild zu
berichtigen.
Die Berichtigung erschien, enthielt jedoch wieder eine Verfäl
schung des
richtigen Bildes. Da der Augenschein dies ergab, konnte
es Dr. Kaufmann natürlich nicht ableugnen. Er redete sich jedoch
darauf aus, dass die
Verzerrungen auf das Rotationsdruckverfahren
zurückzuführen seien, selbst
dann noch, als der vernommene Sach
verständige, ein Professor an der „Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt“, dies für
ausgeschlossen erklärte und erst als sah, dass
alles Leugnen nichts helfe,
brachte er die neue Tatsache vor, dass
eben das richtige Bild nicht
gefunden worden sei, weil es in der
Redaktion abhanden gekommen
war und wahrscheinlich deshalb aus Ver
sehen das verfälschte Bild
als richtiges reproduziert worden sei.
Nur nebenbei will ich den
hohen Gerichtshof, die ihm gewiss bekann
te Tatsache in
Erinnerung bringen, dass die Stunde es
nicht bei
verhältnismässig
harmlosen Verfälschungen bewenden liess, um sich
an Herrn Kraus ihr Mütchen zu kühlen, sondern dass es da auch zu
ganz andern infamen und
bewussten Fälschungen gekommen ist, die
geeignet waren, das Ansehen
einer Familie zu zerstören, wie in dem bekannten
Fall jener Bankiersgattin, von der in der Stunde berichtet wurde
sie sei mit ihrem Sekretär durchgegangen, welchem Berichte die
Tatsache zugrunde lag, dass
ein Journalist der Stunde ein Telegramm
gesehen hatte, in dem es
hiess, dass jene Frau nach Paris gefahren
sei,
pour vendre secretär, also um einen Empireschreibtisch zu
kaufen. Dass die Stunde vor keiner Schandtat
zurückscheut,
beweist
auch jener, vielleicht schon vergessenen Fall, in welchem
ein Artikel erschien, der den Obersten
Gerichtshof bezichtigte,
Brandstifter zur
Brandstiftung aufgemuntert zu haben. Die Ge
schworenen in Leoben hatten zwei jugendliche Brandstifter
frei
gesprochen und die Staatsanwaltschaft hatte dagegen die
Nichtigkeits
beschwerde erhoben, weil sie in der Nichteinvernahme
eines über die
besondere
Gefährlichkeit der Brandstiftung einen wesentlichen
Verfahrensmangel erblickte.
Es war klar, dass diese Nichtigkeits
beschwerde keine besondere
Aussicht auf Erfolg hatte, weil ja die
besondere Gefährlichkeit der
Brandstiftung ganz unwesentlich war,
wenn die Geschworenen zu dem
Wahrspruch kamen, dass die Täter
nicht schuldig seien. So
naive Leute sind die Berichterstatter bei
der Stunde nicht, dass sie nicht gewusst hätten, dass der
Oberste Gerichtshof den Wahrspruch der
Geschworenen nicht umstossen könne,
weil eben die gesetzlichen
Bestimmungen nur ein formales und re
latives Ueberprüfungsrecht
des obersten Gerichtshofes zulassen.
Da aber damals die Stunde prinzipiell gegen den Obersten Gerichtshof
auftrat, so musste eben, wenn es keine Tatsachen gab, die
kritisiert werden konnten,
zu Verfälschungen gegriffen werden, um
den Obersten Gerichtshof eines aufs Zeug zu flicken.
Der einzige Mann in Wien, der gegen dieses Schandtreiben
der Stunde auftrat und es immer wieder verfolgte, war der
Pri
vatankläger Karl
Kraus. Da die Stunde auch an ihn
eine sachlich
gerechtfertigte
Kritik nicht üben konnte, weil sie dazu weder
fähig war, noch irgendeine
Tatsache vorlag, die eine Kritik ge
rechtfertigt hätte, so
musste eben zu Fälschungen gegriffen werden.
Da liegen nun fünf derartige
Fälschungen, resp. Ent
stellungen vor, über deren
eine Sie heute zu judizieren haben.
Die übrigen betreffen eine
Verfälschung des Jugendbildnisses des
Herrn Kraus und seiner Schwester, das Sie ja heute auch gesehen ha
ben, einen
Bericht der Stunde, dass Herr Kraus in Budapest Be
amte bestechen liess, um
sich die Akten gegen Herrn Bekessy
zu verschaffen, wofür Dr.
Fritz Kaufmann bereits rechtskräftig ver
urteilt worden
ist, die Veröffentlichung eines Briefes des Herrn
Kraus an Wilhelm
Liebknecht, für welche der damalige verantwort
liche Redakteur Dr. Marc Siegelberg in erster Instanz verurteilt
wurde und die
Veröffentlichung eines Briefausschnittes an einen
bisher noch unbekannten
Adressaten mit Ausfällen gegen Herrn KarlKraus, von denen
die Redakteure der Stunde wohl wussten,
dass sie
keinen Beweis für
irgendetwas bieten könnten, sondern Ausbrüche
des eigenartigen
Temperaments Peter Altenbergs waren, von dem
in einem fast gleichzeitig
erscheinenden Bericht über Loos erzählt
wurde, dass sie nichts
bedeuten und dass Peter Altenberg an nie
mandem mehr hing
als an Loos, den er gleichzeitig beschimpfte.
Die Prozesse, die Herr Karl Kraus
gegen die Redakteure der
Stunde führen liess, verfolgen nun in
erster Linie den Zweck deren
Bestrafung herbeizuführen, damit die von diesen Redakteuren sooft
geschändete Pressfreiheit,
die diese zu einer Pressunverantwort
lichkeit noch erweitern
möchten, nicht weiter gefährdet werde. In
zweiter Linie den Zweck
andere dazu aufzumuntern gleichfalls gegen
dieses abscheuliche Treiben
der Presse a la Stunde
energischst
aufzutreten.
Und zu meiner und gewiss auch Ihrer Befriedigung
kann ich Ihnen mitteilen,
dass die von Herrn Kraus geführten
Prozesse, eine Unzahl
anderer im Gefolge hatten, wie Sie ja
auch aus den unzähligen
Vorstrafen des Dr. Fritz Kaufmann ersehen
können und auch aus den
Strafkarten der anderen Redakteure ent
nehmen könnten.
Was nun den vorliegenden
Straffall betrifft, so hat
Dr. Fritz Kaufmann durch seine Tathandlung,
dass er das Bild
vor der
Drucklegung gesehen und zum Drucke befördert hat, zwei
Delikte begangen, nämlich
gegenüber Herrn Karl Kraus die Ueber
tretung nach § 45 Abs. 3 Urh.Ges. der besagt, dass derjenige sich
einer Uebertretung schuldig
mache, der über ein Fotografieporträt
ohne Zustimmung der
dargestellten Person oder ihrer Erben eine
unter das Urheberrecht
fallende Verlegung trifft und gegen Herrn Lanyi des Vergehens
nach § 44 des Urh.Ges. dessen sich derjenige schuldig macht, der
wissentlich einen Eingriff
in das Urheberrecht begeht oder
wissentlich Erzeugnisse
eines solchen Eingriffes entgeltlich
verbreitet. Nach
wiederholten Entscheidungen des Obersten
Gerichtshofes genügt zur Wissentlichkeit, dass der Täter auf die Gefahr
hin, dass ein Urheberrecht
verletzt werde, sich zum Eingriff ent
schlossen hat, der
sogenannte dolus eventualis. Nun bitte ich
folgendes in Erwägung zu
ziehen. Am 25. April 1925 wurde Dr. FritzKaufmann zur G.Z. U
I 109/25 wegen Nichtveröffentlichung bezügl.
eines Bildes des
Privatanklägers Karl Kraus und seiner Schwester
verurteilt. Am 27. Mai 1925
war Dr. Fritz Kaufmann als Vertreter
der Stunde bei einem Prozess anwesend, in dem der Redakteur
Dr.
Marc Siegelberg wegen Verletzung des Urheberrechtes an
demselben
Bild angeklagt
worden war und wozu die Ladung Herrn Dr. FritzKaufmann schon
vorher bekannt gewesen sein musste, da er schon
früher einmal bei dem Richter in dieser Sache interveniert hatte.
Es musste also dem Dr. Kaufmann ganz klar sein, dass niemals weder
Herr Kraus noch Herr Lanyi
seine Zustimmung zur Veröffentlichung
eines Bildes des Herrn Kraus gegeben habe, zumal da ja die Be
kämpfung des
Schandwesens der Stunde durch Herrn Kraus ganz
Wien bekannt war und die Veröffentlichung der ersten Fotografie
eine Reaktion auf diese
Bekämpfung war. Könnte das aber noch
zweifelhaft gewesen sein, so
konnte doch darüber dem Angeklagten
kein Zweifel bestehen, dass
eine Erlaubnis in der Form, dass an
dem Bilde Verfälschungen
vorgenommen werden, gewiss nicht erteilt
wurde.
Die Anträge auf Bestrafung,
Veröffentlichung, Ver
fallserklärung und
Vernichtung der Klischees sind daher im Gesetze
begründet. Bei der
Strafbemessung bitte ich Sie auf die Vor
strafen des Angeklagten, auf die unerhörten Kränkungen, die
dem
Privatankläger Karl Kraus
durch die Veröffentlichungen hätten zu
gefügt werden sollen, und
auf die Tatsache Rücksicht zu nehmen,
dass das Bild zur
Unterstützung der Gesellsc zu wohltätigem
Zwecke für die Gesellschaft
der Freunde, also zur Unter
stützung der notleidensten
unserer Mitbürger verkauft wurde und
der Absatz durch die
Veröffentlichung in der Stunde
wesentliche
Einbusse
erlitten hat.
Ich möchte nur noch ein paar
Worte zur Begründung meines
Antrages wegen Verhängung einer Busse wegen Kränkung des Privat
anklägers Karl Kraus
sprechen. Es ist klar, dass derjenige, der
geistige und kulturelle
Misstände kritisiert dazu nur ein Recht hat
wenn sein eigener
Lebenswandel frei von allen Verfehlungen ist,
die er einer Kritik
unterzieht. Dass Herr Karl Kraus als Barbe
sucher hingestellt werden
sollte, hatte den Zweck auch ihn als
einen derjenigen
hinzustellen, der an den seichten Vergnügungen
Gefallen findet, in der
Öffentlichkeit aber an den geistigen
und kulturellen Darbietungen
schärfste Kritik übt.