Abschrift. U I 14/26
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Strafbezirksgericht I in Wien
eingelangt am 20. April
1926
B VII 7709/3/1926 1
fach, 1 Beilage.
Protokoll
aufgenommen vor dem königl.
StrafbezirksgerichteBudapest am 17. März 1926 in der Strafsache gegen
Dr. Fritz Kaufmann
wegen Pressevergehens.
Der Zeuge Dr. Max Rosenberg in
Budapest wohnhaft, verheiratet, mosaisch, R.A., un
beteiligt, gibt
nach gesetzlicher Erinnerung folgen
des an:
Ich bin laut meinem
vorgewiesenen Reise
passe am 27. Oktober 1925 aus Budapest am
Ostbahn
hofe
in Wien eingelangt und habe mich bis zum 30.
Oktober 1925 dort
aufgehalten, an welchem Tage ich
mit dem Schnellzuge nach Budapest zurückgekehrt bin.
Ich habe von dem am 29.
Oktober nachmittag
mit Datum
vom 30. Oktober erschienen Artikel
in Wien
zu meiner grössten
Überraschung Kenntnis erhalten
und bin sofort in die Schriftleitung der „Stunde“
hinaufgegangen und habe um die Richtigstellung er
sucht.
Ich habe dort vorgebracht,
dass ich in
zwischen überhaupt nicht in Budapest gewesen
sein
konnte und daher
auch nicht interveniert habe. In der
Schriftleitung wurde mir
geantwortet, man wird sich
vorerst bei der Schriftleitung in Budapest
erkundigen
und wenn
tatsächlich ein Irrtum vorliegt, ihn dann
richtigstellen.
Die Richtigstellung wird
auch jetzt vor-
genommen werden, es wird
aber beigefügt, dass die
Behauptung aufrecht erhalten wird, bis eine Aus
kunft aus Budapest einlangt.
Ich habe sofort aus Wien meine Kanzlei
aufgerufen und von meinem
Konzipienten Aufklärung
verlangt, welcher mir
mitgeteilt hat, dass ich mit
der Sache absolut nichts zu tun habe, er, Dr. ImreFallus sei über
Ersuchen eines Freundes ad personam
vorgegangen und hat
vollständig den Anwaltsvorschrif
ten entsprechend
niemanden etwas versprochen, er hat aber auch
niemanden etwas
versprechen müssen.
Ich habe mit der ganzen
Angelegenheit
überhaupt
nichts tun, und habe für niemanden inter
veniert und in dieser Sache
von niemanden eine Voll
macht gehabt.
Ich habe überhaupt die
Parteien niemals
gesehen.
Auch mein Konzipient Dr. Imre Fallus hat
von mir in dieser Sache
keinen Auftrag gehabt, nach
dem ich selbst keine
Vollmacht gehabt habe.
Dr. Imre Fallus, in Budapest
Rakoczi ut 72,
könnte in dieser Angelegenheit nähere Angaben machen,
er wurde auch von der
Polizei in den letzten Tagen
vernommen.
Zeuge wird beeidet. Dr. Max Rosenberg
m.p.
Beschluss
Das
Protokoll wird mit sämtlichen Akten
dem ersuchenden Gerichte übersendet und mitgeteilt,
dass der gefertigte Richter in den vom Zeugen vor
gewiesenen
Reisepass Einsicht genommen hat und die
Richtigkeit der Angaben des
Zeugen
bestätigt hat.
Übersetzt in der Rechts-
[Unterschrift] m.p.
hilfe- und Übersetzungs
kanzlei des Bundeskanzler
amtes (Justiz).
Abschrift.
U I
14/26.
An das
königliche Strafbezirksgerichtin Budapest.
In der hg. Strafsache Karl Kraus
gegen
Dr. Fritz Kaufmann
wegen § 30 Press-Ges. wurde
ein in Nummer 794 der in Wien erscheinenden Zeitschrift
„Die
Stunde“ vom 30.X.1925 erschienener Aufsatz
inkriminiert, in dem die
folgende Stelle vorkommt:
„Ein Versuch der
Beamtenbestechung in Budapest“
„Aus Budapest wird uns telegrafiert: Dieser Tage er
schien im
Evidenzbureau des Budapester
Strafgerichtes
der vorbestrafte und von
der Anwaltskammer vor kurzem
auf 3 Monate
suspendierte Rechtsanwalt Dr. Miksa Rosenberg und
verlangte unter Hinweis auf eine Vollmacht
des Wiener
Schriftstellers Karl Kraus die Ausfolgung
von Akten, die sich auf
angebliche Prozesse des Herausgebers der ‚Stunde‘ beziehen sollen. Der
Rechtsanwalt erklärte, er müsse die Akten haben, – kost’s, ‚was
kost’‘. Auf die Frage,
was er unter ‚kost’s, was kost’‘
verstehe, erwiderte Rosenberg,
er würde für die Akten
jeder angeführten Ziffer eine Million Kronen ‚anlegen‘.
Gegen Rosenberg
wurde daraufhin wegen des Versuches
der Beamtenbestechung
die Strafamtshandlung einge
leitet.“
Der Beschuldigte
hat hiezu angegeben, dass
nicht Dr. Miksa
Rosenberg, sondern dessen Substitut
beim Budapester Strafgerichte in dem in der wiederge
gebenen Stelle
mitgeteilten Sinne intervenierte, wobei
er mit der auf Dr. Miksa
Rosenberg lautenden Voll
macht erschien.
Bemerkt wird, dass der
Herausgeber der
Zeitung „Die
Stunde“ Emmerich Bekessy heisst.
Der Beschuldigte
hat für den Inhalt des
inkriminierten Artikels den
Wahrheitsbeweis ange
treten.
Es wird höflichst ersucht,
den Rechts
anwalt
Dr. Miksa
Rosenberg, Budapest, Rakoczistrasse No. 70. und
den Redakteur Geza
Bekefi,
Budapest, Bankgasse 5 als Zeugen über den
Inhalt
der vorangeführten
Stelle, sowie darüber zu ver
nehmen, wer dem Dr. Miksa
Rosenberg und wer dessen
Substituten den Auftrag
gegeben hat derartige Akten
Einsicht zu nehmen und in wessen Interesse die
Akteneinsicht gewesen sei.
Strafbezirksgericht I in Wien
Gerichts-Kanzleiabteilung
I
Wien, am 2. Feber 1926