Sehr geehrter Herr College,
in der Angelegenheit des
Herrn Karl
Kraus gegen Alfred Kerr er
widere ich ergeben
Folgendes:
I) In den von
Reichsgerichtsräten und Ebermayer
herausgegebenen
Kommentar ist der gesetzgeberische
Gedanke, der dem § 198 StGB.
zu Grunde liege, dahin
formuliert: Wer beleidigt wurde und die
Beleidigung zunächst
hingenommen hat, ohne den Beleidiger straf
rechtlich zu verfolgen,
soll, wenn er selbst nachher den anderen
beleidigt und von diesem
deshalb zur Rechenschaft gezogen wird,
berechtigt sein, die ihm
zugefügte Beleidigung noch nachträglich
zu verfolgen.
In dem selben Kommentar wird die von der Praxis meist gebilligte
Auffassung vertreten, dass diese
„wechselseitigen“ Beleidigungen
nicht in einem ursächlichen oder
tatsächlichen Zusammenhang zu
stehen brauchen. –
II) Ueber Klage und
Widerklage ist gleichzeitig zu erkennen.
Eine Ladung könnte Herrn Kraus wohl auf diplomatischem Wege zuge
stellt werden,
soweit er als Kläger in Frage kommt, ganz abgesehen
davon, dass er vom
persönlichen Erscheinen entbunden werden kann.
III) Mir erscheint es aber vor
allem sehr zweifelhaft, ob Kerr
vor dem Berliner Gericht eine
„Widerklage“ wegen
angeblicher
Beleidigungen in
der „Fackel“ erheben könnte. Da Herr Kraus
kein Reichsdeutscher ist, könnte
er nur im Sinne des § 4 Nr. 1 StGB.
hier verfolgt werden – ein
Fall
Tatbestand
, der ja aber nicht in Frage
steht. Ebensowenig ist § 8 Abs. 2 Satz 2 StPO heranzuziehen, da es sich
ja um eine nicht im Inlande
erschienene Druckschrift handelt.
Mit kollegialem Gruss!