Frankfurter ZeitungDas kleine Journal, 22.12.1897Prozess Tappert - Kempner (Kerr)[Brief von Moritz Rosenthal an Das Kleine Journal]Das kleine Journal, 22.6.1897Das Kleine JournalTappert


Prozess Tappert – Kempner (Kerr) Beilage 6)


Kleines Journal“ von Dienstag, dem 22. Juni 1897


Der mit so großer Spannung erwartete Prozess der
Musikschriftsteller W. Tappert und W. Lackowitz wider den Schriftsteller
Dr. Alfred Kempner (Kerr) wurde gestern (21. Juni 1897) vor der 148. Abteilung
des hiesigen Schöffengerichts unter Vorsitz des Amtsgerichtsrats Haack
verhandelt. Den persönlich erschienenen Privatklägern stehen
Justizrath Kleinholz und Dr. Schwindt zur Seite, der Beklagte
wird vom R.A. Paul Jonas verteidigt. Letzterer hat eine große
Zahl von Zeugen und Zeuginnen, welche der musikalischen Welt
angehören, geladen; ein Theil von ihnen hat sich durch Abwesenheit
von Berlin entschuldigen lassen.


Im Sitzungszimmer herrscht großer Andrang.


Der historische Verlauf der Sache ist bekannt. Als der viel
besprochene Fall Liebling (LieblingLackowitz) sich ereignet hatte, besprach ihn Dr.Kempner in der „Frankfurter Zeitung“ und deutete dabei an, daß
in musikalischen Kreisen behauptet werde, daß gewisse Kritiker
der Bestechung zugänglich seien. Es erfolgte darauf die Erklärung
der 23 Musikkritiker, welche den Vorwurf mit Entschiedenheit
zurückwiesen. Dr. Kempner antwortete darauf und beschuldigte
schließlich die beiden Privatkläger, daß sie den Geldspenden
ausübender Künstler zugänglich seien. Herr Tappert erließ
darauf im „Kleinen Journal“ eine kurze Erklärung, in welcher er
die Behauptung Kerr’s für Lüge und Verleumdung erklärte.
Diese Erklärung hat Dr. Kempner zum Gegenstande der
Widerklage gemacht.


Als Sachverständige wohnen Professor Schulze, Prof. Krebs
und Prof. Urban der Verhandlung bei.


Zum Wahrheitsbeweise erklärte R.-A. Jonas daß eine
große Zahl der von ihm vorgeschlagenen Zeugen zu seinem Bedauern
ausgeblieben sei und er sich bemüht habe, Ersatzzeugen zu
stellen. (Nun behandelt Jonas den Fall Lackowitz-Liebling) Besonders
bedauert Jonas die Abwesenheit der Konzertagenten Sachs und Taussig ,
da Letztere Beide ausübenden Künstlern gesagt haben sollen, daß
es notwendig sei, Herrn Tappert und Herrn Lackowitz Geld zu geben,
und zwar Ersterem in der Form, daß sie bei ihm Stunden
nehmen.


Herr Tappert erklärt, daß er entschieden darauf bestehen
müsse, daß zunächst Herr Sachs und Herr Taussig ganz klare
Auskunft darüber geben, aus welchem Grunde sie dazu gekommen
seien, den Künstlern solchen Rath zu ertheilen.


Justizrath Kleinholz: Ich muß gestehen, daß mir die Beweis
führung des gegnerischen Vertreters absolut unklar ist. Es wird
von der Gegenseite behauptet, daß meinem Klienten Geld gegeben
wurde, vielleicht wird dies auch in dem einen oder anderen
Falle bewiesen werden. Aber das Geldgeben oder Geldnehmen allein
genügt doch nicht, um daraus gegen meinen Klienten den Vorwurf
der gemeinen Bestechlichkeit oder der Verletzung der Amts- und
Berufspflichten zu deduzieren. Ich vermisse da das punctum
saliens in der Beweisführung.


Als erster Zeuge wird hierauf der Tenorist Syburg vernommen.
(Er sagt aus, Herr Konzertagent Sachs habe ihm geraden, von seinem
Konzert bei Tappert einige Stunden zu nehmen. Das
habe er getan, und Herrn Tappert in zwei Stunden für 50 Mark
sein Programm vorgesungen.)


Vorsitzender: Konnte denn Herr Tappert in den zwei Stunden,
die er Ihnen gab, Ihnen nicht sehr bedeutsame Winke nach
der Richtung geben, wie Sie die auf Ihrem Programme stehenden
Lieder speziell für den Geschmack des Berliner Publikums am
besten singen könnten? Welche Veranlassung haben Sie übrigens,
anzunehmen, daß Herr Tappert die Sache so auffaßte, wie Sie
und daß er Ihnen die Lektionen bloß deshalb gab, um das
Honorar von Ihnen anzunehmen?


Zeuge: Ich kann nur sagen, daß ich die 50 Mark
Herrn Tappert nur deshalb gab, um ihn für mich günstig
zu beeinflussen.


Vorsitzender: Ihre Anschauung stützt sich aber bloß darauf,
daß in Ihren Kollegenkreisen so gesprochen wurde, oder ist Ihnen
vielleicht etwas dafür bekannt, daß Herr Tappert, wenn
er solche Geschenke nicht bekam, ungünstig rezensiert hätte?


Der Zeuge räumt ein, daß er dies nur von Kollegen
gehört habe, und erzählt dann weiter, daß Tappert
verhindert gewesen sei, über sein erstes Konzert zu schreiben.
Später habe er ein anderes Konzert gegeben, das sehr ungünstig
ausgefallen sei, sodaß Herr Tappert es vor seiner (des Zeugen)
Solonummer verlassen habe. Er habe dann Tappert noch
einmal besucht und ihn gebeten, ihm etwas vorsingen
zu dürften und von ihm zu erfahren, ob er Fortschritte
gemacht habe. In einer Tappert’schen Kritik habe dann ganz
in diesem Sinne gestanden: Er, der Zeuge habe Fortschritte
gemacht.


Vorsitzender: Ja, sind Sie selbst nicht dieser Meinung
gewesen? (Heiterkeit.)


Der Zeuge behauptet, daß er in dem betreffenden Quartett-
Konzert nur einige Takte Solo zu singen gehabt habe und
meint daß aus diesen wenigen Takten unmöglich ein Fort
schritt zu konstatieren gewesen wäre.


Herr Tappert will sich mit dem Zeugen nicht in eine
Debatte darüber einlassen, ob ein Kritiker in einem
Quartett nicht herausfinden könne, was der Tenor leistet,
selbst wenn er nur einige Takte Solo zu singen habe.
Was die dem Zeugen gegebenen Lektionen anbelangt, so
habe er (Tappert) dem Zeugen gleich in der ersten halben
Stunde gesagt, daß er in jeder Beziehung unvorbereitet sei,
und ihm geraten, das Konzert zu verschieben. Darauf habe
ihm der Zeuge erwidert, er habe locker gelebt, brauche
Subsistenzmittel und müsse daher trachten so bald als möglich
mit einem Konzert herauszukommen. „Wenn ich mich nun“
– fährt Herr Tappert fort – in meiner Gutmütigkeit dazu
bewegen ließ, einen solchen Künstler noch einmal zu empfangen
und dann über ihn zu schreiben, er habe einige Fortschritte
gemacht, so möchte ich denn doch wissen, wo da die Verletzung
meiner Berufspflicht gelegen haben soll?


Der nächste Zeuge, Konzertdirektor Stern bekundet,
er habe niemals den jungen Künstlern, die hier Konzerte geben
wollten, gesagt, daß es notwendig sei, Herrn Tappert vorher ihr
Konzertprogramm einmal vorzusingen oder gar Unterricht
bei ihm zu nehmen. Einem ausländischen Künstler, der hier ein
Konzert mit Orchester gab, was sehr viel Geld kostet, habe er
geraten, dem Kritiker Tappert einen Besuch zu machen und
ihn zu bitten, sein Konzert zu besuchen. Der Künstler habe
ihn aber nicht getroffen. Später habe er an mehrere Kritiker
Briefe weggeschickt, denen je 100 Mark beigepackt waren,
die übrigen Kritiker haben die 100 M. zurückgeschickt, von
Lackowitz und Tappert sei aber nichts zurückgekommen.
Der Zweck des Besuches bei Tappert sei nicht gewesen,
ihn in seiner Kritik zu beeinflussen, sondern lediglich,
ihn zu ersuchen, das Konzert überhaupt zu besuchen.
Ab und zu sei ihm gesprächsweise allerdings zu Ohren
gekommen, daß junge Künstler Sendungen an Tappert
abgehen lassen, persönlich habe er nur den einzigen
Fall erlebt.


Vorsitzender: Ist Ihnen aus der Zeit, da Sie noch
in der Konzert-Agentur Wolff waren, ein Fall bekannt,
daß an Tappert oder an einen anderen Musikkritiker
Geld geschickt wurde?


Zeuge: An Tappert gewiß nicht.


Tappert: Er habe bis dahin von dem betreffenden
Geiger nichts gewußt gehabt. Sein alter Freund Wilhelmy
habe ihm den jungen Mann empfohlen, und ihn gebeten, über
diesen Paganini-Spieler eine Rezension zu schreiben, damit
diese gedruckt und in England und Amerika veröffentlicht
werden könne. Das habe er getan; er habe in seiner Bespre
chung ganz objektiv der Leistungen des jungen Mannes
und seines Lehrers gedacht, eine Verlesung der Kritik werde
ergeben, daß er keineswegs mit Superlativen herumgewor
fen habe. Er habe in diesem Falle durchaus nicht gegen
seine Pflicht gefehlt und sich nicht bestechen lassen.


Theateragent Sanftleben soll bekunden, daß von der
Frau des Kammersängers Götze dem Kläger Tappert
Geld zugewendet worden sei um ihn zu beeinflussen.
R.-A. Jonas behauptet, Kammersänger Götze sei über die
stets ungünstigen Kritiken Tapperts sehr nervös gewesen, und
deshalb habe sich seine Frau an Sanftleben mit der Frage
gewandt, wie dies zu ändern sei. Sanftleben habe darauf
gesagt: „Das kostet 100 M.“ Das Geld sei gezahlt worden,
und seitdem hätten sich die Kritiken über Götze gebessert.


Zeuge Sanftleben : So verhalte es sich nicht. Frau Götze
habe ihm einmal gesagt, daß ihr Mann gerade jetzt vortrefflich bei
Stimme sei, und besonders den Wunsch ausgesprochen, daß
Herr Tappert den derzeitigen 6 Gast-Vorstellungen beiwohnen möge.
Er (Sanftleben) habe dann den Vorschlag gemacht, an Tappert
zu schreiben, und ihn zu bitten, die 6 Vorstellungen bei Kroll
zu besuchen. Nach seiner Ansicht aber konnte man nicht
verlangen, daß Herr Tappert die Kosten für die Billetts, Spesen,
Droschken usw. aus eigener Tasche entnahm, und so sei
dann für die 6 Vorstellungen der Betrag von 100 M.
dem Briefe beigepackt worden. Herr Götze habe von der
ganzen Sache nichts gewußt bis zu dem Momente, wo
Herr Kempner sich in unangenehmer Weise an seine
Frau herangedrängt habe, um von ihr etwas darüber zu
erfahren. Da erst habe Frau Götze ihrem Manne den
ganzen Sachverhalt gestanden.


Kläger Tappert: Er habe auch hier keineswegs seine
Pflicht verletzt, sondern ganz objektiv kritisiert. Über das erste
Auftreten des Herrn Götze habe er ein Nachtreferat schreiben,
eine Droschke zur Druckerei benutzen, außerhalb seines Hauses
speisen müssen usw. Er habe sich darauf beschränkt, das heroische
Timbre des Herrn Götze zu loben. (Andere Fälle, wo er durchaus
nicht gelobt habe, führt er aus einigen der übrigen 5 Kritiken an.)


Beklagter Kempner: Als er Herrn Sanftleben „auf Bureau
gerückt“ sei, habe dieser gesagt: daß Tappert bestechlich sei,
pfeifen die Spatzen von den Dächern.


Zeuge Sanftleben verweigert hierüber die Aussage.


Zeuge Konzertdirektor Wolff bekundet, er habe niemals
an Tappert Geld geschickt, und auch niemals einen derartigen
Auftrag bekommen. In seinem Bureau werde über solche und
ähnliche Dinge natürlich mancherlei gesprochen, er wisse Positives aber nicht. Er
selbst habe niemals jungen Künstlern den Rath ertheilt, vor
ihrem Konzert zu Herrn Tappert zu gehen und diesem gegen
Honorar ihr Programm vorzusingen. Er glaube nicht, daß
Marcella Sembrich durch Geld eine andere Form der Tappert’schen
Kritik über ihre Leistungen erlangt habe. Auch über ihn,
Zeugen, habe Herr Tappert sehr ungünstig geschrieben, dann
aber plötzlich eine mildernde Tonart angeschlagen, ohne
daß irgend etwas dazwischen getreten wäre. (Heiterkeit).


Vorsitzender: Auch bezüglich des Falles Sembrich wissen
Sie nicht, dass Etwas wie eine materielle Beeinflussung
dazwischen getreten wäre?


Zeuge: Ich weiß nur, daß Frau Sembrich, als die
Sprache darauf kam, eine solche Beeinflussung auf das
Entschiedenste bestritt.


Kläger Tappert: Es wird sogar behauptet, daß Herr
Wolff mich für 6000 M. jährlich gekauft habe, um ihm
dienstbar zu sein. Ich wünsche, daß der Zeuge sich über diesen
Punkt äußert.


Zeuge Wolff: Das ist niemals der Fall gewesen.


Beklagter Dr. Kempner: Ist aber der Zeuge Wolff
Herrn Tappert behilflich gewesen zur Erlangung seiner jetzt
günstiger dotierten Stelle bei dem „Kleinen Journal“?


Zeuge: Das ist doch beinah kindisch, jedenfalls der
reine Unsinn.


Justizrath Kleinholz: Auch der anwesende Eigentümer
des „Kleinen JournalsDr. Leipziger erklärt es für Unsinn.


Dr. Kempner verwahrt sich gegen dieses Wort.


Zeuge Bernkopf, Sekretär der Konzertdirektion Sachs, weiß
nichts davon, daß in dem Sachs’schen Bureau konzertierenden
Künstlern der Rat erteilt worden sei, sich mit Geldspenden an
Kritiker heranzumachen oder dazu die Maske des „Unterricht
nehmens“ zu wählen. Nur in einem Falle weiß er, daß einer
unter dem Namen Helene Sandow konzertierenden Gräfin, die
vielfache Millionärin gewesen sei, geraten worden, Herrn
Tappert um einige Unterweisungen zu bitten, da die
Konzertgeberin Anfängerin war und großes Lampenfieber
hatte. Er habe für die Sängerin auch einmal einen
Brief an Tappert besorgt, in welchem vielleicht Geld lag.


R.A. Jonas: Es wäre gewiß interessant, wenn
uns Herr Tappert die Summe dieses Honorars nennen
wollte.


Kläger Tappert: Dazu liegt garkein Grund
vor. Es bemühen sich Viele, ihm sein bißchen Brot,
welches er sich erworben, zu schmälern. Er sei doch nicht
dazu da, seine Zeit unentgeltlich fremden Sängerinnen
zu opfern, und wenn er zu der betreffenden Sängerin
ins Hotel gegangen sei und stundenlang sich zu ihrer
künstlerischen Abrundung zur Verfügung gestellt
habe, so könne er dafür auch ein Honorar in Anspruch
nehmen.


Nun werden die Sachverständigen
vernommen. Prof. Schulze sagt, daß ein Kenner auch
nach einmaligem Anhören eines Vortrages dem Vortragenden
gute Ratschläge und Winke geben könne. Herr Tappert sei
ein hervorragender Musiker und in der Lage, solche
nutzbringende Ratschläge geben zu können. Er persönlich (Schulze)
würde zwar solche Unterweisungen unmittelbar vor dem
Konzert nicht geben, und schon garnicht gegen Entgelt. Werde
aber viel dafür gezahlt, so sei das ebensowenig wunderbar,
als wenn sich ein berühmter Arzt für die Konsultation
hohes Honorar bezahlen lasse. Er nehme es niemand
übel, wenn er sich (in solchem Falle) bezahlen läßt.


Die nächsten Sachverständigen sind Prof. Krebs
und Prof. Heinrich Urban, beide von der „Vossischen Zeitung
sowie Musikdirektor Oscar Eichberg vom „Börsen-Courier“.
Prof. Krebs kann nur prinzipiell aussagen, daß er es mit
dem Amt eines Kritikers unvereinbar halte, von einem Künstler
den er bespricht, Geld zu irgendwelchen Zwecken in Empfang
zu nehmen. Prof. Urban ist der gleichen Meinung, fügt
jedoch hinzu, er kenne Herrn Tappert zwar als Lehrer nicht, als
Musiker jedoch gelte dieser etwas und habe sicher auch
ein allgemeines Urteil über die Kunstleistungen.


Sachverständiger Eichberg bespricht die Fälle
Sembrich, Bötel, u.a. wo Tappert, noch anfang ungünstige
Kritiken später „umgefallen“ sei.


Kläger Tappert: Wie oberflächlich selbst meine
Kritiken gelesen werden, zeigt sich auch hier wieder.
Ich habe mich im tollsten Widerspruche mit meinen
sogenannten Kollegen befunden, da ich seinerzeit der
Erste gewesen bin, der auf das eminente Talent des
Herrn Rosenthal (* Siehe den späteren Brief von Rosenthal an das „Kleine Journal“) hingewiesen habe. Ich habe mit
ihm tagelang studiert, mich auf’s Wärmste für ihn
ins Zeug gelegt und da soll ich ihn zuerst getadelt
haben? Was aber Frau Sembrich anbelangt, so ist
diese von mir nur als Liedersängerin getadelt worden,
und sie hat diesen Zweig ihrer Kunst selbst verlassen.


Sachv. Eichberg: Bei Herrn Rosenthal bestand die
Wandlung in einem Übergang vom Lob zum Tadel.
Frau Sembrich ist auch in ihren dramatischen Leistun
gen scharf getadelt worden.


Justizrath Kleinholz meint, daß bis jetzt keinerlei
Tatsachen vorgebracht seien, die Herrn Tappert eines
Mißbrauches seines Amtes überführen könnten. Was
vorgebracht worden, seien nur allgemeine Redensarten.


R.-A. Jonas beantragt Vertagung und
Einberufung weiterer Zeugen: Floersheim, Jules Sachs,
Taussig und Bötel etc. etc.


Justizrath Kleinholz : Es ist mir wirklich
unklar, zu welchem Zweck was die Gegenpartei mit der Vorladung
neuer Zeugen bezweckt. Herr Kempner hat gewiß während
der letzten Monate überall dort „herumhausiert“, wo er hoffte,
Belastungsmaterial gegen Herrn Tappert zusammenzu
bringen.


Dr. Kempner: Ich muß gegen den Ausdruck „hausieren“
protestieren.


Der Gerichtshof beschließt, da von den Parteien auf weitere Zeugen nicht
verzichtet wird, die Sache zu vertagen, einen neuen Termin nach den Gerichtsferien
anzusetzen und die gen. Zeugen zu laden.


Mittwoch d. 22. Dezember 1897.


4 Die zweite Verhandlung bietet gegenüber der
ersten vom 21. Juni keine wesentlich neu hinzutretenden
Züge. Doch erzeugte die gehäufte Feststellung von Honorarannahmen und die abfälligeren Gutachten der Sachverständigen anscheinend im Saal eine für Tappert ungünstige Stimmung. Es werden wiederum einige Zeugen vernommen, die
kurz vor ihrem Berliner Konzert bei Tappert eine oder
mehrere Unterrichtstunden genommen haben, und entwe
der sagen, daß sie dies nur in Hinsicht auf
günstige Beeinflussung getan haben, oder aber versichern,
daß ihnen Tapperts Ratschläge in diesen Sektionen
künstlerisch wesentlich geholfen hätten. Ein tatsächlicher
Fall von erfolgter Beeinflussung in der Kritik kann
jedoch nicht festgestellt werden. Die Sachverständigen
(dieselben vom 21. Juni) sagen wieder dasselbe
aus. Tappert beteuert immer wieder, daß er für
verlorene Zeit, Spesen, usw. eben entschädigt worden
sei, daß aber von irgendeiner Beeinflussung keine
Rede sein könne. Der Vorsitzende regt einen
Vergleich an. Die Verteidigung seitens Dr. Kempner
erklärt als Basis dafür: „Beide Kläger nehmen ihre Klage
zurück und übernehmen sämmtliche Kosten, Herr Tappert
zieht die Behauptung seiner Erklärung, daß die Angaben
des Beklagten freche Lügen und Verleumdungen seien,
zurück, der Beklagte hält den Inhalt sachlich aufrecht,
zieht aber die Widerklage zurück und kann höchstens
zugeben, daß er sich hier und da in der Form vergessen
habe.“ – Die Vergleichsverhandlungen scheitern vorläufig.
Es werden noch einige Sachverständige vernommen
(Prof. Schulze, Prof. Urban, Dr. Paul Schlenther) die
ungefähr dasselbe wie in der ersten Verhandlung aussagen.


Nach Beendigung der Beweisaufnahme


1


regt der Vorsitzende nochmals an, die Sache, die doch
nun volle Aufklärung erhalten, durch Vergleich abzu
schliessen. Diese Anregung hat schließlich Erfolg.


Die Privatkläger nehmen ihre Klage zurück
und übernehmen die Kosten des Verfahrens, Tappert
auch die Kosten der Widerklage; Kempner nimmt
hierauf die Widerklage zurück und der
Gerichtshof erkennt auf Einstellung des Verfahrens.


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In derselben Nummer des Kl. Journals
auf der ersten Seite:


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Tappert


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