Sehr geehrter Herr Kollege,


in der Sache des Herrn Karl Kraus gegen Lindner habe ich Ihre
gefl. Zuschrift vom 10. d.M. nebst 3 Anlagen am 12. erhalten.
Ich danke Ihnen verbindlich und gestatte mir, Folgendes zu er
widern:


Es würde sich nach deutschem Recht um einen obligatorischen
Anspruch aus einer Vereinbarung handeln; die Klage auf Rückgabe der
Briefe würde also eine Vertragsklage sein, für welche nach deutschem
Recht die Verjährung noch nicht eingetreten ist.


Man könnte gleichzeitig daran denken, eine einstweilige
Verfügung dahin zu beantragen, dass Lindner die Veräusserung der
Briefe untersagt würde. Durch eine einstweilige Verfügung aber
im Sinne des § 938 (nach der neuen Fassung der C P O.) eine Ver
wahrung zu erreichen, würde m.E. aber deshalb nicht möglich sein,
weil die Briefe sich ja nicht mehr bei Lindner befinden.


Die Vollstreckung eines auf Rückgabe lautenden Urteils
gegen Lindner würde, wenn er die Briefe nicht mehr hinter sich
hat, schliesslich auf eine Pfändung des Herausgabeanspruchs hinaus
laufen, welchen Lindner gegen denjenigen hat, in dessen Gewahrsam
sich die Briefe dann befinden.


Für meine Zuständigkeit zur Prozessvertretung fragt es
sich natürlich, wo Lindner wohnt. Ich nehme an, dass die Kompetenz
des Landgerichts durch Bemessung des Streitwerts erreicht werden
soll.


Mit Herrn Fülöp-Miller hatte ich s.Z. auch darüber ge-
sprochen, dass ich mich ev. zunächst mit Dr. Bessmertny, dessen
Adresse mir ebenfalls unbekannt ist, in Verbindung setzen solle.


Ich bitte Sie, sich auch hierüber gefl. äussern zu wollen.


Dass, falls die Briefe einen nach dem Urheberrecht
schutzfähigen Inhalt haben, Herr Kraus urheberrechtlich gegen
eine Veröffentlichung angehen kann, habe ich Herrn Fülöp-Miller
auch gesagt.


Mit verbindlichen Empfehlungen an Sie und Herrn Kraus
Ihr
Victor Fraenkl


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